Der Zauber des weissen Wolfes
K'aarna, aber Elric ist eine Legende - der Mann, von dem in der Welt am meisten gesprochen wird, den nun aber die wenigsten kennengelernt haben. Jetzt habe ich Gelegenheit, zu entdecken, worüber andere nur Mutmaßungen anstellen können - seinen wahren Charakter.«
Theleb K'aarna machte eine abwehrende Bewegung. Er fuhr sich durch den langen schwarzen Bart, stand auf und ging zu einem Tisch mit Früchten und Wein. Er schenkte für beide ein. »Wenn es dir darum geht, mich wieder eifersüchtig zu machen, so gelingt dir das natürlich. Dein Vorhaben erfüllt mich mit geringer Hoffnung. Elrics Vorfahren waren Halbdämonen - seine Rasse ist nicht menschlich und läßt sich nicht mit unseren Maßstäben messen. Wir erlernen die Zauberei durch Jahre des Studiums und der Entbehrungen - Elric gewinnt die Zauberkräfte durch Intuition, als etwas ganz Natürliches. Vielleicht würdest du es nicht überleben, nach seinen Geheimnissen zu streben. Cymoril, die Cousine, die er liebte, starb durch seine Klinge - und sie sollte ihn heiraten!«
»Deine Sorge rührt mich.« Lässig nahm sie den Weinkelch, den er ihr reichte. »Trotzdem bleibe ich bei meinem Plan. Schließlich kannst du nicht gerade behaupten, daß du bei der Erforschung der Zitadelle sehr erfolgreich gewesen bist.«
»Es gibt ein paar Einzelheiten, die ich noch nicht ganz ergründet habe. Zugegeben.«
»Dann kann vielleicht Elrics Intuition Antworten bringen, wo du nicht weiterkommst«, sagte sie lächelnd. Er stand auf und blickte durch das Fenster auf den Vollmond am klaren Himmel über Dhakos. »Yolan verspätet sich«, fuhr sie fort. »Wenn alles planmäßig verlaufen ist, müßte er jetzt mit Elric hier sein.«
»Yolan war ein Fehler. Du hättest keinen Mann schicken sollen, der so eng mit Dharmit befreundet war. Vielleicht hat er Elric sogar zum Kampf herausgefordert und getötet!«
Wieder kam sie gegen das Lachen nicht an, das in ihr aufstieg. »Ach, deine Sehnsüchte sind zu stark - sie vernebeln dir den Verstand! Ich habe Yolan geschickt, weil ich wußte, daß er den Albino unhöflich behandeln und vielleicht seine übliche Interesselosigkeit überwinden würde - indem er seine Neugier weckte. Yolan war eine Art Köder, der Elric zu uns führen sollte!«
»Dann hat Elric dies vielleicht gespürt?«
»Ich bin nicht übermäßig intelligent, mein Schatz - aber ich meine doch, daß meine Instinkte mich selten im Stich lassen. Wir werden bald mehr wissen.«
Kurze Zeit später ertönte ein diskretes Klopfen, und eine Zofe trat ein.
»Euer Hoheit, Graf Yolan ist wieder hier.«
»Graf Yolan allein?« Ein Lächeln erschien auf Theleb K'aarnas Gesicht. Es sollte nach kurzer Zeit verschwinden, als Yishana für die Straße gekleidet den Raum verließ.
»Du bist ein Dummkopf!« fauchte er, als die Tür hinter ihr zufiel. Er schleuderte seinen Kelch gegen die Wand. Er hatte bereits bei der Zitadelle versagt, und wenn Elric ihn ersetzte, mochte er alles verlieren. Er begann gründlich nachzudenken.
3
Elric behauptete zwar immer wieder, kein Ge- wissen zu haben, doch sein gequälter Blick sprach eine andere Sprache, als er nun an seinem Fenster saß, kräftigen Wein trank und an die Vergangenheit dachte. Seit Imrryrs Untergang war er durch die Welt gezogen und hatte ein Ziel, eine Bestimmung für sein Leben gesucht.
Im Buch der Toten Götter hatte er die Antwort nicht gefunden. Er hatte es auch nicht geschafft, Shaarilla zu lieben, die flügellose Frau aus Myyrrhn, es war ihm nicht gelungen, Cymoril zu vergessen, die ihn noch immer in Alpträumen heimsuchte. Und es plagten ihn Erinnerungen an andere Träume - von einem Schicksal, an das er nicht zu denken wagte.
Friede, so sagte er sich, war sein einziges Ziel. Aber selbst der Friede des Todes war ihm vorenthalten. In solcher Stimmung grübelte er vor sich hin, als seine Gedanken durch ein leises Scharren an der Tür unterbrochen wurden.
Sofort verhärtete sich sein Gesicht. In die roten Augen trat ein wachsamer Ausdruck, seine Schultern hoben sich, so daß er beim Aufstehen nichts anderes als kühle Arroganz ausstrahlte. Er stellte den Kelch auf den Tisch und sagte leichthin: »Herein!«
Eine Frau in einem dunkelroten Mantel trat ein; in der Dunkelheit des Zimmers war sie nicht zu erkennen. Sie schloß die Tür hinter sich und stand reglos und wortlos vor ihm.
Als sie dann doch zu sprechen begann, klang ihre Stimme beinahe zögernd, obwohl ein Hauch von Ironie darin lag.
»Du sitzt hier im Dunkeln,
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