Der Zauber des weissen Wolfes
seine Herren, haben sie wohl leider die Ehre, Teil eines Halbgottes zu sein. Die Lords des Chaos sind natürlich keine Fleischfresser, entstammen sie doch den Höheren Welten - doch die Menschen können ihnen etwas bieten, das sie als besonderen Leckerbissen betrachten...«
Yishana legte die Arme um sich, als sei ihr kalt geworden. »Er war riesig - ich kann mir gar nicht vorstellen, daß die Zitadelle eine solche Masse überhaupt enthalten konnte!«
»Die Zitadelle war mehr als eine Wohnstatt, soviel ist klar. Irgendwie bewirkte sie Veränderungen von Größe, Form - und andere Dinge, die ich nicht beschreiben kann. Arioch aus dem Chaos brachte die Zitadelle und Balo an den Ort zurück, an den sie gehören.«
»Arioch! Aber er ist einer der Größten Sechs! Wie kam er auf die Erde?«
»Aufgrund eines alten Paktes mit meinen fernsten Vorfahren. Indem ich ihn rufe, gestatte ich ihm eine kurze Zeit Aufenthalt in unserem Reich, dafür erweist er mir einen Gefallen. Das geschah auch vorhin.«
»Komm, Elric.« Sie nahm seinen Arm. »Verlassen wir das Tal.«
Elric war erschöpft, geschwächt durch den anstrengenden Ruf nach Arioch und durch die Ereignisse vor und nach der großen Konfrontation. Er konnte kaum gehen, und bald mußte ihn Yishana kraftvoll stützen, während sie, gefolgt von den verwirrten Kriegern, langsam zum nächsten Dorf wanderten, wo sie sich ausruhen und Pferde für die Rückkehr nach Dhakos bekommen konnten.
5
Als sie an den verkohlten Ruinen Thokaras vorbeikamen, deutete Yishana plötzlich zum Himmel.
»Was ist das?«
Eine Riesengestalt flog auf sie zu. Sie wirkte wie ein Schmetterling, doch ihre Flügel waren so gewaltig, daß sie die Sonne verdunkelten.
»Ob das ein Wesen ist, das Balo zurückgelassen hat?« mutmaßte sie.
»Kaum anzunehmen«, erwiderte er. »Es sieht eher aus wie ein Ungeheuer, das von einem menschlichen Zauberer gerufen wurde.«
»Theleb K'aarna!«
»Er hat sich selbst übertroffen«, sagte Elric ironisch. »Das hatte ich ihm nicht zugetraut.«
»Das ist seine Rache an uns, Elric!«
»Eine vernünftige Annahme. Aber ich bin schwach, Yishana, und Sturmbringer braucht Seelen, wenn er mich stärken soll.« Abschätzend drehte er sich zu den Kriegern um, die furchtsam auf das näherkommende Wesen starrten. Nun war zu erkennen, daß es einen Menschenkörper hatte, bedeckt mit Haaren oder Federn, die das bunte Muster eines Pfaus trugen. Es rauschte durch die Luft, die fünfzig Fuß breiten Flügel ließen den sieben Fuß langen Körper winzig erscheinen. Dem Kopf entwuchsen zwei gekrümmte Hörner, und die Arme endeten in langen Krallen.
»Wir sind verloren, Elric!« rief Yishana. Sie sah die Krieger fliehen und forderte sie mit barschen Befehlen auf, zurückzukehren. Elric stand reglos neben ihr in dem Bewußtsein, daß nur er das Schmetterlingswesen besiegen konnte.
»Am besten fliehst auch du, Yishana«, sagte er leise. »Ich glaube, es wird sich mit mir zufriedengeben.«
»Nein!«
Er ignorierte sie und trat der Kreatur entgegen, die nun landete und in seine Richtung über den Boden zu krabbeln begann. Er zog den ruhigen Sturmbringer, der sich in seiner Hand sehr schwer anfühlte. Ein geringes Maß an Energie strömte ihm zu, doch nicht genug. Seine einzige Hoffnung bestand darin, das Wesen sofort mit einem tödlichen Streich zu treffen und etwas von seiner Lebenskraft für sich zu gewinnen.
Die Stimme des Wesens stach ihm schrill in die Ohren, und das seltsame, verrückte Gesicht verzog sich bei jedem Schritt. Elric erkannte, daß er kein echtes Wesen der übernatürlichen Welten vor sich hatte, sondern einen ehemaligen Menschen, der von Theleb K'aarnas Zauberkräften verformt worden war. Wenigstens war der Gegner sterblich, und er mußte sich nur gegen seine physischen Kräfte durchsetzen. Normalerweise wäre ihm das ein leichtes gewesen - doch in seinem jetzigen Zustand.
Die Flügel zuckten durch die Luft, als die Krallenhände nach ihm griffen. Er nahm Sturmbringer in beide Hände und ließ die Runenklinge zum Hals des Wesens schwingen. Mit schneller Bewegung falteten sich die Flügel zusammen, um den Nacken zu schützen, und Sturmbringer steckte in dem seltsam klebrigen Fleisch fest. Eine Kralle verhakte sich in Elrics Arm und hinterließ einen knochentiefen Riß. Er schrie vor Schmerzen auf und zerrte das Schwert aus dem zusammengefalteten Flügel.
Dann versuchte er einen neuen Hieb anzubringen, aber das Monstrum packte ihn an seinem verwundeten Arm und
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