Der Zauber eines fruehen Morgens
fassungslos wie du jetzt. Sie hat mir erzählt, dass ihr beide zusammen aus England hergekommen seid.«
»Sie hatte es mit keinem Wort erwähnt …«, brachte Belle heraus.
»Vielleicht dachte sie, es wäre besser so«, meinte er. »Später wurde mir klar, dass du ihr einiges über mich erzählt haben musst, wenn sie sich an meinen Namen erinnern konnte. Das hat mich sehr berührt. Und dann zu hören, dass sie auf so schreckliche Weise ums Leben gekommen ist! Will konnte kaum darüber sprechen.«
Belle nickte. »Ja, es war entsetzlich. Ich kann es immer noch nicht fassen. Wir waren so gute Freundinnen, und ich dachte, das würden wir immer sein. Ohne sie fühle ich mich ganz verloren.«
»Das dachte ich mir, und deshalb bin ich hier. Aber es hat mich gefreut, dass du ihr von mir erzählt hast, das muss ich zugeben. Das heißt ja wohl, dass du mich nicht ganz vergessen hast.«
Die Tür stand offen, und sie saßen einander gegenüber, und hätte zufällig jemand hereingeschaut, hätte er nichts gesehen, was darauf hingewiesen hätte, dass der französische Sergeant und Belle mehr als flüchtige Bekannte waren. Trotzdem wurde sie auf einmal sehr nervös.
»Ach, das war nur so ein Austausch von Vertraulichkeiten, wie er unter Frauen üblich ist«, gab sie leichthin zurück, als wäre es im Grunde belanglos. »Sie war die Einzige, der ich je alles über New Orleans und Paris und die Rolle, die du dabei gespielt hast, anvertraut habe. Aber Miranda war sehr romantisch und hat dazugeneigt, mehr in Dinge hineinzudeuten, als tatsächlich vorhanden war.«
»Sie muss dir wirklich sehr viel bedeutet haben, wenn du ihr all das erzählt hast.« Er zog eine Augenbraue hoch und sah Belle direkt an. »Wie hast du sie kennengelernt?«
»In meinem Laden. Sie hat in der Nähe gewohnt, und du hast recht, sie hat mir sehr viel bedeutet. Ihr Tod hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Es war grauenhaft, und es wäre nie passiert, wenn der Bahnübergang wie sonst auch bemannt gewesen wäre.«
»Es ist schlimm, gute Freunde zu verlieren«, sagte er. »Ich habe seit Kriegsbeginn schon so viele verloren, dass ich es inzwischen vermeide, neue Freundschaften zu schließen.«
»Ich hatte vorher noch nie eine richtige Freundin, keine, der ich mich anvertrauen konnte, mit der ich über alles reden konnte. Ich glaube, bei Miranda war es genauso. Wir haben zwar nicht derselben Gesellschaftsschicht angehört, aber wir hatten viel gemeinsam.«
»Was ist aus deinem Hutsalon geworden?«
»Jimmy ging zum Militär, ich verlor das Kind, das ich erwartete, und irgendwie hatte es für mich keinen Reiz mehr, Hüte zu entwerfen und zu verkaufen. Es erschien mir so frivol, wenn täglich Männer an der Front starben.«
»Das mit dem Kind tut mir sehr leid«, sagte er. »Ich kann verstehen, dass sich dadurch alles für dich verändert hat, insbesondere weil dein Mann nicht zu Hause war. Doch wie seid ihr hier gelandet, Miranda und du?«
Belle hatte das Gefühl, dass Etienne mit seinen Fragen ausloten wollte, ob er ihre Entscheidung beeinflusst hatte. Sie musste ihm unbedingt klarmachen, dass er nichts damit zu tun hatte, aber all ihre Gefühle für ihn, die sie tot und begraben geglaubt hatte, wurden wieder wach. Sein französischer Akzent war so anziehend und weckte so viele schöne Erinnerungen an die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten.
»Das war reiner Zufall«, erklärte sie und wich seinem Blick aus, weil sie Angst hatte, er könnte in ihren Augen lesen, dass sie nichtganz aufrichtig war. »Wir beschlossen, unseren Teil für den Krieg zu leisten, und meldeten uns als freiwillige Hilfskräfte in einem Militärlazarett. In dem Jahr, in dem wir dort waren, hat Miranda mir das Autofahren beigebracht. Dann hörten wir, dass man hier dringend Rettungsfahrer braucht. Ich dachte, ich könnte Jimmy dann vielleicht öfter sehen.«
»Und? Hast du ihn gesehen?«
Wie immer, wenn ihr diese Frage gestellt wurde, regte sich ihr Gewissen, weil sie es nicht einmal versucht hatte. »Nein, leider gibt es hier zu viel zu tun.«
»Miranda hat es geschafft«, bemerkte er.
Belle errötete. Sie hätte wissen müssen, dass er mit diesem Argument kontern würde. »Für sie war es leichter. Will ist nicht an regelmäßige Dienstzeiten gebunden, und außerdem ist er ganz in der Nähe stationiert.«
»Ich bin nicht in der Nähe und habe auch regelmäßige Dienstzeiten, doch als ich erfuhr, dass du hier bist, wäre ich am liebsten sofort gekommen. Nicht die
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