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Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore

Titel: Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron , Irmela Brender
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sollte nicht so bluten.«
    »Und sollte nicht
immer weiter
bluten«, fügte Elli verwirrt hinzu. »Nicht nach dem Wasser.«
    Shim stapfte durch den Schnee, sein Gesicht war ein Gewirr bekümmerter Falten. In den Armen trug er Nuic, der jetzt düster grau gefärbt war. Der Tannenzapfengeist schaute auf Scree hinunter, dann sagte er: »Das ist schlimm, seit dem Krieg der Stürme habe ich so etwas nicht gesehen.«
    »Hast du irgendwelche Kräuter, die helfen könnten?«, fragte Elli.
    Nuic runzelte die Stirn. »Hier kann kein Kraut helfen. Auch keine Magie, die ich kenne.«
    »Was sollen wir tun?«, rief Brionna und drehte den langen Zopf in den Händen. »Er wird verbluten.«
    Elli wandte sich an Tamwyn. »Deine Kräfte! Gebrauche sie.«
    Er antwortete nicht. Denn er kämpfte bereits mit dem gleichen Gedanken – und mit seinen eigenen Ängsten. Wenn er versuchte, seine neuen Kräfte einzusetzen, und sie nicht beherrschte, könnte er Scree töten. Aber wenn er nichts tat –
    Er knirschte mit den Zähnen, während er angestrengt nachdachte. Immer wenn er bisher versucht hatte, seine Kräfte zu lenken, sie mit seinen Gedanken zu führen, hatte er versagt. Und er hatte noch nie gewagt, sie bei jemandem einzusetzen, den er kannte und liebte, bei dem er gar nicht hoffen konnte, klar über ihn zu denken.
    Denk klar über . . .
    »Aaach«, stöhnte Scree jämmerlich. Er wand sich im Schnee, fast wie das Einhorn es vor kurzem getan hatte. Elli berührte seine Stirn, ihr Gesicht war angstverzerrt.
    Denk klar . . .
    Plötzlich hatte Tamwyn eine neue Idee. Vielleicht kam es gar nicht darauf an, klar zu denken. Oder
überhaupt
zu denken! Das war vielleicht die falsche Methode, seine Magie zu lenken. Vielleicht musste sie von etwas Tieferem als Gedanken geleitet werden. Etwas, das nicht aus dem Kopf, sondern aus dem Herzen kam.
    »Tamwyn!«, rief Elli. »Er wird sterben.«
    »Nein!«, sagte er bestimmt.
    Er legte beide Hände auf Screes Schenkel und tat dabei mehr, als sie nur auf die Wunde zu drücken. Er schloss die Augen und suchte in sich seine Kräfte und die Gefühle, diesie führen konnten. Aber das einzige Gefühl, das er jetzt empfand, war Angst. Schon mit dem kleinsten Fehler könnte er Scree töten! Und er wusste noch nicht einmal, nach welchen Kräften er suchte. Jetzt wusste er zum ersten Mal nur, dass er sie verzweifelt finden wollte.
    Kommt, meine Kräfte
, befahl er.
Werdet stark! Diesmal brauche ich euch wirklich.
    Aber er spürte nichts. Nur Screes Blut, das ihm dick und warm durch die Finger rann.
    Er versenkte sich tiefer in sich.
Kräfte, was ihr auch seid, helft mir!
Jetzt war sein stärkstes Gefühl eine andere Art Angst – um das Leben seines Bruders. Und mit ihr kam eine Panik, die rasch zunahm.
    Doch er wusste, das alles war immer noch nicht genug. Er untersuchte seine Empfindungen, prüfte eine Emotion nach der anderen wie ein Mann, der blindlings durch einen nächtlichen Wald rast. Treue. Schuld. Sympathie. Sorge.
    Nichts geschah.
    Dann, anscheinend von irgendwo weit entfernt, hörte er ein anderes langes, heftiges Stöhnen.
    Tamwyn schloss die Augen fester und drängte die Tränen zurück. Er konnte es einfach nicht! Scree – sein einziger Bruder, seine ganze Familie – starb. Und Tamwyn war schuld. Er könnte ihn retten, selbst jetzt noch, wenn er nur wüsste, wie!
    Seine Hände packten das blutige Fleisch fester. Erinnerungen durchströmten ihn, Bilder aus der Kindheit mit ihrem wilden Gerangel und ihren Abenteuern, Streitigkeiten, Festen, Endeckungen und Verlusten. Die Jahre ihrerschmerzlichen Trennung. Das überraschende Wiedersehen vor weniger als einem Monat. Ihre besondere Art, miteinander zu reden, die jenseits aller bekannten Worte und Sprachen war.
    Stirb nicht, mein Bruder. Bitte hör auf mich! Stirb nicht.
    Eine erste Träne lief Tamwyn übers Gesicht, das erste Prickeln der Magie begann in den Fingern. Hinunter, hinunter, hinunter – tief in Screes Haut, Venen, Muskeln und Knochen. Um das Leben zu fassen. Die Liebe. Die Bande zweier Brüder. Er versuchte, das Fleisch zurückzufügen, das Bluten anzuhalten. Aber schon als er Erfolg hatte, fand er ständig frische Wunden, die gerade jenseits seines Zugriffs zu liegen schienen.
    Stirb nicht, Scree. Nicht.
    Plötzlich spürte Tamwyn, dass er etwas Scharfes gefunden hatte. Etwas Tödliches. Etwas, das nicht hierher gehörte. Die Scherbe! Sie schwamm davon, aus seiner Reichweite. Direkt auf Screes Herz zu!
    Tamwyn griff danach, verfehlte

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