Der Zauber von Savannah Winds
ätherische Gestalt, deren Gesicht sie nie gesehen hatte.
Tränen traten Fleur in die Augen, während sie das helle Zimmer und das zerwühlte Bett betrachtete. Wenn sie bliebe, stände immer etwas Kolossales im Raum – etwas Großes, Schwarzes, das als Mahnung dessen, was hätte sein können, über ihnen schweben würde. Unter diesem Schatten könnte sie nicht den Rest ihres Lebens verbringen, es sei denn, Greg würde seine Meinung radikal ändern.
Fleur schloss die Augen. Greg war ihr ein Rätsel, und obwohl sie seit drei Jahren ein Paar waren, wurde ihr erst jetzt klar, dass sie ihn überhaupt nicht kannte. Seine Kindheit war ihr ein Buch mit sieben Siegeln, obwohl sie stets vermutet hatte, dass es eine unglückliche Zeit gewesen war. Dennoch war er ein erfolgreicher, qualifizierter Kinderchirurg geworden – ein Mann, der unermüdlich daran arbeitete, das Leiden zu beenden, ein Mann, der mit seiner sanften Stimme und den noch sanfteren Händen die ihm anvertrauten Kinder zu trösten vermochte. Sie hatte ihn verzweifelt erlebt, wenn seine Fähigkeiten nicht ausreichten, und glücklich, wenn seine kleinen Patienten gesund und munter zu den besorgten Eltern zurückkehren konnten. Wie war es nur möglich, dass er kein eigenes Kind wollte, obwohl er doch offensichtlich die notwendige Fürsorge besaß?
Sie ließ sich auf das Kissen fallen, kam jedoch nicht zur Ruhe. Ihre Gedanken überschlugen sich, und ihre Gefühle waren in Aufruhr. Sie schwang sich aus dem Bett, rieb sich die Haare trocken und zog sich an. Nachdem sie in Sandalen geschlüpft war, ging sie in die Küche und betrachtete das Chaos.
Der Barhocker lag umgestürzt da, die Espressotassen waren zerbrochen, ihr zähflüssiger Inhalt hatte sich auf der Arbeitsplatte und über die Schranktüren verteilt.
Mit Hausarbeit konnte Fleur zwar die Hände beschäftigen, aber ihr Verstand ließ sich nicht ablenken. Sobald die Küche wieder blitzblank war, nahm sie sich einen Augenblick Zeit und sah sich in dem Apartment um, das Greg und sie erst vor zwei Jahren voller Begeisterung gekauft hatten. Nach den Offenbarungen an diesem Morgen stellte Fleur fest, dass sie es mit der kühlen Distanz eines Menschen zur Kenntnis nahm, dem es nichts bedeutet.
Die Küche war zu dem rechteckigen Wohn- und Essbereich hin offen. Der gesamte Raum wurde dank der Panoramafenster von Sonne durchflutet. Cremefarbenes Leder, Chrom und Glas beherrschten die Einrichtung, aufgelockert von dem Grün, Orange- und Scharlachrot der Paradiesvogelblumen, die in einem hohen Tontopf in der Ecke standen, und dem großflächigen Ölgemälde an der Wand. Das Apartment war hochmodern – ein Designertraum ohne Schnickschnack, Wärme oder Charakter – , kein Kind würde sich hier zu Hause fühlen. Und ich mich auch nicht mehr, dachte Fleur.
Langsam schlenderte sie durch die Zimmer, die an diesem unpersönlichen Kernstück lagen, und betrachtete sie in neuem Licht. Es waren vier Schlafzimmer, von denen sie zwei in Arbeitszimmer umgewandelt hatten. Gregs Büro war aufgeräumt – genau wie er selbst. Bis hin zu seiner Gitarrensammlung war alles ordentlich, übersichtlich und an seinem Platz. Im Gegensatz zu ihrem Büro, das vollgestopft und chaotisch war. Ob das meine Persönlichkeit widerspiegelt?, fragte Fleur sich. Schon möglich – aber eigenartig, denn ihre berufliche Tätigkeit verlangte Ordnung und Präzision.
Die Reißbretter standen an den Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichten und zur Dachterrasse hinausgingen. Sie waren voller Pläne, die nun hinfällig waren. Zusammengerollte Bauzeichnungen und Modelle früherer und zukünftiger Projekte füllten die Regale, Recherchebücher stapelten sich neben dem Computer auf dem Schreibtisch in beängstigender Fülle. An der gegenüberliegenden Wand stand ein besonders großer Kopierer; der Deckel war hochgeklappt und gab den Blick auf den Grundriss eines Bauvorhabens frei, das sie mit ihren Kollegen für eine Ausschreibung vorbereitet hatte. Bleistifte, Lineale und alle anderen Utensilien, die zu ihrem Beruf gehörten, steckten in Töpfen, und auf dem Aktenschrank standen vergessene Kaffeebecher. An den Wänden aber hingen überall Fotos von den Gebäuden, die sie mit entworfen hatte, und vor den Fenstern baumelten Schmetterlinge und Vögel aus Kristall, die Regenbogenfarben ins Zimmer warfen, da sie sich im Luftzug der Klimaanlage fast unmerklich bewegten. Verglichen mit dem Rest der Wohnung vibrierte dieser Raum vor Leben, Farbe und
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