Der Zauber von Savannah Winds
Spuren seines Lebens vorsichtig wieder einpackte. Es dauerte eine Weile, bevor sie weitermachen konnte.
Ganz unten in der Truhe befanden sich Bücher, die sich bei näherem Hinsehen als Fotoalben sowie Bestandsverzeichnisse und Berichte über den Alltag auf Savannah Winds und Birdsong entpuppten. Dann kamen Tagebücher. Sie reichten zurück bis in Annies erste Ehejahre und deckten jedes Jahr bis zu ihrem Tod ab.
Fleur fuhr mit den Händen über das abgewetzte Leder mit Goldprägedruck, neugierig zu erfahren, wie Annies Leben gewesen war, zauderte aber, in den Bänden zu stöbern. Sie legte sie beiseite und erblickte eine Sammlung ungerahmter sepiabrauner Fotos, die in einem großen, selbstgebastelten Karton gesammelt waren. Sie waren sehr alt und hatten größtenteils Feuchtigkeitsschäden, sodass die Gesichter teilweise verschwommen, vergilbt oder gar nicht zu erkennen waren.
Sie wollte die Kiste gerade wieder zurückstellen, als ihr ein Packen Briefe auffiel, die mit einer groben Schnur gebündelt waren. Die Schnur deutete nicht auf Liebesbriefe hin. Fleur nahm sie in die Hand, hielt aber mitten in der Bewegung inne, als ihr klar wurde, dass alle an ihren Vater adressiert waren, denn jeder trug in Dads allzu vertrauter Handschrift die Aufschrift »Zurück an den Absender«. Alle Briefe waren ungeöffnet. An den Poststempeln war ersichtlich, dass sie ab den Dreißigerjahren bis 1969 kontinuierlich verschickt worden waren.
Eine Woge des Zorns packte Fleur, als sie erkannte, dass Annie sich bemüht hatte, den Kontakt zu ihrem Bruder aufrechtzuerhalten, Don jedoch jeden Versuch brüsk abgewiesen hatte. Als sie die Briefe durchging, fand sie allerdings zwei in seiner Handschrift. Aber Fleur wollte sie nicht lesen. Ihr Vater durfte ihr dieses Paradies nicht vergiften, deshalb bündelte sie die Briefe wieder.
»Ich werde sie lesen, Annie, aber nicht heute«, flüsterte sie. »Ich bringe es einfach nicht über mich.«
Sie packte das meiste wieder sorgsam in die Truhe und trug die Fotos, Tagebücher und Geschäftsbücher zum Küchentisch. Die Briefe brachte sie ins Schlafzimmer und vergrub sie tief unten in einer Reisetasche.
Dann ging Fleur in die Küche, setzte einen Kessel Wasser auf und steckte zwei Brotscheiben in den Toaster. Die Zeit war wie im Flug vergangen, es war bereits zwei Uhr, und da sie sowohl das Frühstück als auch den Lunch ausgelassen hatte, war sie ausgehungert.
Mit einer Tasse Tee und einem Vegemite-Toast setzte sie sich an den Tisch, um die Fotos zu betrachten, als ihr Handy klingelte.
In der Hoffnung, dass es kein Notfall oder – noch schlimmer – ihr Vater sein möge, schaute sie auf die Nummer auf dem Display und runzelte die Stirn. Nichts Gutes ahnend, seufzte sie und stellte die Verbindung her.
»Fleur? Ich bin’s, Melanie.«
Fleur vernahm den hysterischen Unterton und wappnete sich innerlich. »Wo bist du, Mel? Was ist los?«
»Ich bin in Cairns«, schluchzte sie. »Liam hat mich verlassen. Ich habe kein Geld, und mein Akku ist bald leer. Ich weiß, es ist ein weiter Weg von Brisbane hierher, aber könntest du mir das Fahrgeld schicken – oder mich abholen?«
Die Tage waren noch mild, aber die Nächte wurden kühler, und Greg spürte die herbstliche Kälte, als er das Fitnesscenter verließ und zum Wagen ging. Er hatte sich wie üblich abgearbeitet, anschließend ein Dampfbad genommen und geduscht. Jetzt freute er sich auf das Abendessen. Wenn sein voller Dienstplan es erlaubte, ging er zweimal wöchentlich ins Fitnessstudio, wo er seine Schwermut abbauen und den Kopf frei machen konnte. Er kam stets mit dem Gefühl heraus, gesund zu sein und optimistisch in die Zukunft zu schauen – so wie an diesem Abend auch.
Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit, als er seine Sporttasche in den Kofferraum des Porsches warf. »Wo ist Fleur?«
Greg betrachtete Don Franklin mit unverhohlener Abneigung. »Weg«, sagte er kurz angebunden.
»Wohin?«
Greg glaubte Unbehagen bei dem alten Mann wahrzunehmen und fragte sich nach dem Grund. Doch er wusste nur zu gut, dass Fleur sich geschworen hatte, ihrem Vater wegen der Anfechtung von Annies Testament nie wieder zu vertrauen. »Keine Ahnung«, log er.
»Sie ist doch nicht etwa auf Savannah Winds?« Argwöhnisch kniff er die Augen zusammen, während er auf seiner Zigarre kaute.
»Und wenn schon? Was geht es dich an?«
Don Franklin versuchte, sich ungezwungen zu geben, was ihm jedoch misslang. »Das ist nicht der richtige Ort für ein
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