Der Zauber von Savannah Winds
gegeben, dass er seine Meinung über Kinder geändert hatte oder bereit wäre, darüber zu sprechen. Fleurs Dilemma war so groß wie Melanies, aber sie hoffte, dass die Rückkehr nach Brisbane ihr die Gelegenheit bieten würde, friedlich mit Greg zu reden, um gemeinsam herauszufinden, wie sie an diesem Punkt weitermachen könnten und ob ihre Ehe wirklich zu retten sei.
Die alarmierende Nachricht, dass ihr Vater hier oder auf Savannah Winds aufzutauchen drohte, schien sich zum Glück in Nichts aufgelöst zu haben. Die Ruhe in Birdsong war zwar ohnehin vorbei, dennoch hatte Fleur nicht den Mut, ihm nach der Auseinandersetzung über Annies Testament gegenüberzutreten.
Sie stellte die Teetasse ab und begab sich ins Schlafzimmer. Der Gedanke an ihren Vater hatte sie an die Briefe erinnert, die sie versteckt hatte. Sie holte sie hervor und nahm sie mit dem Tee hinunter zum Steg.
Wieder dämmerte ein wunderschöner Morgen; der Himmel verwandelte sich allmählich von Tintenschwarz in Rosa- und Orangerot, er vergoldete den Strand und das Wasser, vertrieb die Schatten unter den Bäumen. Mit zitternden Fingern band Fleur die grobe Schnur auf. Alle Briefumschläge, die er Annie ungeöffnet zurückgeschickt hatte, waren in der Handschrift ihres Vaters bekritzelt. Seine grausame Missachtung musste ihre Tante tief getroffen haben.
Fleur öffnete den ältesten Brief mit Datum vom Januar 1935 und stellte fest, dass Annies saubere Schrift zwei linierte Seiten bedeckte, die offenbar aus einem Schreibheft gerissen worden waren.
Lieber Don,
dies schreibe ich, weil ich hoffe, Du hast inzwischen akzeptiert, dass Vaters Hochzeitsgeschenk an John und mich seine Art war, mir meinen Anteil des Erbes lieber jetzt zu geben, wo ich es brauche, als später. Es wird sich natürlich nicht auf die Summe auswirken, die Du nach Vaters Tod erben sollst – der, so hoffe ich, erst in vielen Jahren eintreten wird. Ich bete jeden Abend, Du mögest zu der Einsicht gelangt sein, dass Vaters großzügiges Geschenk für mich ebenso überraschend kam wie für Dich und dass es seine freie Entscheidung war, keine Intrige meinerseits. Er wollte einfach nur sicherstellen, dass John und ich Garantien für unser Projekt in der Wildnis von Gulf Country haben.
Wir haben uns hier in Savannah niedergelassen. Nachdem John ein Backsteinhaus gebaut hat, sind wir nun vor den schrecklichen Stürmen sicher, die über dieses schöne, aber einsame Land hinwegbrausen. Unsere Viehherde gedeiht; zu ihrer Bewachung haben wir zwei ausgezeichnete Treibhunde gekauft. Eine Familie von Aborigines lebt auf dem Anwesen, und sie hat sich als ausgesprochen hilfreich erwiesen. Die Eingeborenen kennen dieses Land sehr gut und sind offenbar stets auf Wetterumstürze vorbereitet. Ich weiß nicht, wie wir ohne sie klargekommen wären.
Dieser ausgedehnte Landstrich wäre ohne John und unsere fernen Nachbarn einsam, aber solange ich meinen Mann an meiner Seite habe, bin ich zufrieden. John und ich sind bereits seit zwei Jahren verheiratet, aber leider noch nicht mit Kindern gesegnet. Mein sehnlichster Wunsch ist es, Söhne zu bekommen, die dieses Anwesen eines Tages übernehmen werden, denn unser Schweiß steckt bereits tief in dieser fruchtbaren dunklen Erde.
Abschließend möchte ich Dich noch einmal herzlich bitten, hinzunehmen, was geschehen ist, und die enge Freundschaft nicht zu zerstören, die uns bisher verbunden hat. Der Gedanke, dass Du so verbittert über Vaters Geschenk bist, tut weh. Bitte, antworte auf diesen Brief, ich sehne mich so danach, von Dir zu hören,
Deine Dich liebende Schwester Annie
Fleur legte den Brief zusammen und steckte ihn wieder in den Umschlag. Annie tat ihr leid, die so deutlich versucht hatte, die Feindseligkeiten zu begraben.
Zwischen den nächsten vier Briefen lagen jeweils einige Monate; sie hatten denselben Grundtenor. Annie flehte ihren Bruder allerdings verzweifelter um Verständnis und Vergebung an – die Rücksendungen hatten sie offensichtlich sehr getroffen.
Trotz ihres Mitgefühls für Annie fand Fleur die Briefe faszinierend, denn hier stand in Annies eigenen Worten die Geschichte von Savannah Winds geschrieben. Die Fläche war mit Vergrößerung des Viehbestands erweitert worden. Sie hatten mehrere Männer eingestellt, die ihnen halfen, die Farm zu bewirtschaften, und hatten beschlossen, außerdem noch Weizen anzubauen. Doch es gab auch Gefahren und Rückschläge: Überschwemmungen, Dürre, Heuschreckenschwärme, die sich in Sekunden
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