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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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der einen Wandschrank aufgeschlossen und ihm das Zubehör zur Kaffeebereitung entnommen hatte, eine röhrenförmige türkische Mühle, den langgestielten Kochbecher, das Doppelgefäß für Zucker und gemahlenen Kaffee, alles aus Messing. »Palmitin, Stearin, Oleïn«, sagte er und schüttete Kaffeebohnen aus einer Blechbüchse in die Mühle, deren Kurbel er zu drehen begann. »Die Herren sehen, ich mache alles selbst, von Anfang an, es schmeckt noch mal so gut. – Was dachten Sie denn? Daß es Ambrosia wäre?«
    »Nein, ich wußte es schon selber. Es ist nur merkwürdig, es so zu hören«, sagte Hans Castorp.
    Sie saßen im Winkel zwischen Tür und Fenster, an einem Bambustaburett mit orientalisch ornamentierter Messingplatte, auf der das Kaffeegerät zwischen Rauchutensilien Platz gefunden hatte: Joachim neben Behrens auf der reichlich mit seidenen Kissen ausgestatteten Ottomane, Hans Castorp in einem Klubsessel auf Rollen, gegen den er Frau Chauchats Porträt gelehnt hatte. Ein bunter Teppich lag unter ihnen. Der Hofrat löffelte Kaffee und Zucker in den gestielten Becher, goß Wasser nach und ließ das Getränk über der Spiritusflamme aufkochen. Es schäumte braun in den Zwiebeltäßchen und erwies sich beim Nippen als ebenso stark wie süß.
    {397} »Ihre übrigens auch«, sagte Behrens. »Ihre Plastik, soweit davon die Rede sein kann, ist natürlich auch Fett, wenn auch nicht in dem Grade wie bei den Weibern. Bei unsereinem macht das Fett gewöhnlich bloß den zwanzigsten Teil vom Körpergewicht aus, bei den Weibern den sechzehnten. Ohne das Unterhautzellgewebe, da wären wir alle bloß Morcheln. Mit den Jahren schwindet es ja, und dann gibt es den bekannten unästhetischen Faltenwurf. Am dicksten und fettesten ist es an der weiblichen Brust und am Bauch, an den Oberschenkeln, kurz, überall, wo ein bißchen was los ist für Herz und Hand. Auch an den Fußsohlen ist es fett und kitzlich.«
    Hans Castorp drehte die röhrenförmige Kaffeemühle zwischen den Händen. Sie war, wie die ganze Garnitur, wohl eher indischer oder persischer, als türkischer Herkunft: der Stil der in das Messing gearbeiteten Gravierungen, deren Flächen blank aus dem matt gehaltenen Grunde traten, deutete darauf hin. Hans Castorp betrachtete die Ornamentik, ohne gleich klug daraus werden zu können. Als er klug daraus geworden war, errötete er unversehens.
    »Ja, das ist so ein Gerät für alleinstehende Herren«, sagte Behrens. »Darum halte ich es unter Verschluß, wissen Sie. Meine Küchenfee könnte sich die Augen daran verderben. Sie werden ja wohl weiter keinen Schaden davontragen. Ich habe es mal von einer Patientin geschenkt bekommen, einer ägyptischen Prinzessin, die uns ein Jährchen die Ehre schenkte. Sie sehen, das Muster wiederholt sich an jedem Stück. Ulkig, was?«
    »Ja, das ist merkwürdig«, erwiderte Hans Castorp. »Ha nein, mir macht es natürlich nichts. Man kann es ja sogar ernst und feierlich nehmen, wenn man will, – obgleich es dann am Ende auf einer Kaffeegarnitur nicht ganz am Platz ist. Die Alten sollen ja so etwas gelegentlich auf ihren Särgen angebracht haben. Das Obszöne und das Heilige war ihnen gewissermaßen ein und dasselbe.«
    {398} »Na, was die Prinzessin betrifft,« sagte Behrens, »die war nun, glaub ich, mehr für das erstere. Sehr schöne Zigaretten habe ich übrigens auch noch von ihr, das ist was Extrafeines, wird nur bei erstklassigen Gelegenheiten aufgefahren.« Und er holte die grellbunte Schachtel aus dem Wandschrank, um sie anzubieten. Joachim enthielt sich, indem er die Absätze zusammenzog. Hans Castorp griff zu und rauchte die ungewöhnlich große und breite, mit einer Sphinx in Golddruck geschmückte Zigarette an, die in der Tat wundervoll war.
    »Erzählen Sie uns doch noch etwas von der Haut,« bat er, »wenn Sie so freundlich sein wollen, Herr Hofrat!« Er hatte Frau Chauchats Porträt wieder an sich genommen, hatte es auf sein Knie gestellt und betrachtete es, in den Stuhl zurückgelehnt, die Zigarette zwischen den Lippen. »Nicht gerade von der Fetthaut, das wissen wir ja nun, was es damit auf sich hat. Aber von der menschlichen Haut im allgemeinen, die Sie so gut zu malen verstehn.«
    »Von der Haut? Interessieren Sie sich für Physiologie?«
    »Sehr! Ja, dafür habe ich mich schon immer im höchsten Grade interessiert. Der menschliche Körper, für den habe ich immer hervorragend viel Sinn gehabt. Manchmal habe ich mich schon gefragt, ob ich nicht Arzt hätte werden

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