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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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angenehm und abwechslungsreich gestaltete, sondern einzig und ganz allein, um sich möglichst rasch zu entgiften, damit er in der Ebene Dienst machen könne, wirklichen Dienst statt des Kurdienstes, der ein Ersatzmittel war, aber an dem er einen Raub nur widerwillig duldete. Sich tätig an der Winterlust zu beteiligen, war ihm verboten, und den Gaffer zu spielen, hatte ihm mißfallen. Was aber Hans Castorp betraf, so fühlte er sich {477} zu sehr, in einem zu strengen und intimen Verstande, als Mitglied Derer hier oben, um Sinn und Blick zu haben für das Treiben von Leuten, die in diesem Tale ein Sportgelände sahen.
    Die charitative Teilnahme nun aber für das arme Fräulein Karstedt brachte hierin einige Änderung hervor, – ohne unchristlich zu erscheinen, konnte Joachim keine Einwände dagegen erheben. Sie holten die Kranke aus ihrer dürftigen Wohnung in »Dorf« und führten sie bei prächtig heiß durchsonntem Frostwetter durch das nach dem Hotel d’Angleterre genannte Englische Viertel, zwischen den Luxusläden der Hauptstraße hin, auf der Schlitten läuteten, reiche Genießer und Tagediebe aus aller Welt, Bewohner des Kurhauses und der anderen großen Hotels, barhaupt in modischem Sportdreß aus edlen und teueren Stoffen, mit Gesichtern, bronziert von Wintersonnenbrand und Schneestrahlung, sich ergingen, und hinab auf den nicht weit vom Kurhause in der Tiefe des Tales gelegenen Eisplatz, der im Sommer eine zum Fußballspiel benutzte Wiese gewesen. Musik erscholl; die Kurkapelle konzertierte auf der Empore des hölzernen Pavillongebäudes zu Häupten der viereckig gestreckten Bahn, hinter welchem die verschneiten Berge im Dunkelblauen standen. Sie nahmen Einlaß, drängten sich durch das Publikum, das von drei Seiten, auf ansteigenden Sitzen, die Bahn umgab, fanden Plätze und schauten. Die Kunstläufer, in knapper Tracht, schwarzen Trikots, Pelzwerk an den Tressenjacken, wiegten sich, schwebten, zogen Figuren, sprangen und kreiselten. Ein virtuoses Paar, Herr und Dame, Professionals und außer Konkurrenz, vollführte etwas in der ganzen Welt nur von ihm Vermochtes, entfesselte Tusch und Händeklatschen. Im Kampf um den Schnelligkeitspreis arbeiteten sich sechs junge Männer verschiedener Nationalität, gebückt, die Hände auf dem Rücken, zuweilen das Taschentuch vor dem Munde, sechsmal um das weite Viereck. Man läutete mit einer Glocke in die Musik hin {478} ein. Zuweilen brandete die Menge in anfeuernden Zurufen und Beifall auf.
    Es war eine bunte Versammlung, in der die drei Kranken, die Vettern und ihr Schützling sich umsahen. Engländer mit schottischen Mützen und weißen Zähnen sprachen Französisch mit penetrant duftenden Damen, die von oben bis unten in bunte Wolle gekleidet waren, und von denen einige in Hosen gingen. Kleinköpfige Amerikaner, das Haar glatt angeklebt, die Shagpfeife im Munde, trugen Pelze, deren Rauhseite nach außen gekehrt war. Russen, bärtig und elegant, barbarisch reichen Ansehens, und Holländer von malaischem Kreuzungstyp saßen zwischen deutschem und schweizerischem Publikum, während allerlei Unbestimmtes, französisch Redendes, vom Balkan oder der Levante, abenteuerliche Welt, für die Hans Castorp eine gewisse Schwäche an den Tag legte, und die von Joachim als zweideutig und charakterlos abgelehnt wurde, überall eingesprengt war. Kinder konkurrierten zwischendurch in scherzhaften Aufgaben, stolperten über die Bahn, am einen Fuß einen Schnee-, am anderen einen Schlittschuh, oder indem die Knaben ihre Dämchen auf Schaufeln vor sich her schoben. Sie liefen mit brennenden Kerzen, wobei Sieger war, wer sein Licht, noch brennend, zum Ziele trug, mußten im Laufe Hindernisse überklettern oder Kartoffeln mit Zinnlöffeln in aufgestellte Gießkannen lesen. Die große Welt jubelte. Man zeigte sich die reichsten, berühmtesten und anmutigsten unter den Kindern, das Töchterchen eines holländischen Multimillionärs, den Sohn eines preußischen Prinzen und einen Zwölfjährigen, der den Namen einer weltbekannten Champagnerfirma trug. Die arme Karen jubelte ebenfalls und hustete dabei. Sie klatschte vor Freude in ihre Hände mit den offenen Fingerspitzen. Sie war so dankbar.
    Auch zum Bobsleighrennen führten die Vettern sie: es war nicht weit zum Ziel, weder vom »Berghof«, noch auch von {479} Karen Karstedts Wohnung, denn die Bahn, von der Schatzalp herunterkommend, endete in »Dorf« zwischen den Siedelungen des westlichen Hanges. Ein Kontrollhäuschen war dort

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