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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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dem geschmückten Hals entschlüpfen und zur Dekke fahren, worauf er die Flasche nach elegantem Herkommen zum Einschenken in eine Serviette hüllte. Der edle Schaum befeuchtete das Linnen der Anrichtetischchen. Man ließ die Flachkelche klingen und leerte das erste Glas auf einen Zug, elektrisierte sich den Magen mit dem eiskalten, duftigen Geprickel. Die Augen glitzerten. Das Spiel hatte aufgehört, ohne daß man sich bemüßigt gesehen hätte, Karten und Geld vom Tische zu räumen. Die Gesellschaft überließ sich einem seli- gen Nichtstun, indem sie ein zusammenhangloses Geschwätz tauschte, dessen Elemente bei jedem einzelnen aus erhöhtem Gefühle stammten und in irgendeinem Urzustande das Schönste versprochen hatten, aus denen aber auf dem Wege zur Mitteilung ein fragmentarisch-lippenlahmer, teils indiskreter, teils unverständlicher Gallimathias wurde, geeignet, die zornige Scham jedes nüchtern Hinzukommenden zu erregen, doch von den Beteiligten ohne Beschwer ertragen, da alle sich in dem gleichen verantwortungslosen Zustand wiegten. Frau Magnus selbst hatte rote Ohren bekommen und gestand, sie fühle, wie Leben sie durchrinne, was aber Herrn Magnus nicht lieb zu sein schien. Hermine Kleefeld lehnte mit dem Rücken an der Schulter Herrn Albins, indem sie ihm ihren Kelch zum Einschenken vorhielt. Peeperkorn, das Bacchanal mit lanzenspitzen Kulturgebärden leitend, sorgte für Zufuhr und Nachschub. Er ließ Kaffee kommen nach dem Champagner, Mocca double, der wiederum von »Brot« begleitet war und von süßen {863} Scharfheiten, Apricots Brandy, Chartreuse, Crème de Vanille und Maraschino für die Damen. Später gab es noch saure Fischfilets und Bier dazu, endlich Tee, und zwar sowohl chinesischen wie Kamillentee für solche, die es nicht vorzogen, beim Sekt oder Likör zu bleiben oder zu einem ernsthaften Wein zurückzukehren, wie Mynheer selbst, der sich nach Mitternacht zusammen mit Frau Chauchat und Hans Castorp zu einem Schweizer Roten von naiv-spritziger Art durchgeläutert hatte, von dem er mit wirklichem Durst einen Glasbecher nach dem anderen hinunterschüttete.
    Noch um ein Uhr dauerte die Festsitzung an, zusammengehalten teils durch bleierne Rauscheslähmung, teils durch das eigentümliche Vergnügen, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, teils durch die Persönlichkeitswirkung Peeperkorns und durch das abschreckende Beispiel Petri und der Seinen, an deren Fleischesschwäche niemand teilhaben wollte. Allgemein gesprochen, schien der weibliche Teil weniger gefährdet in dieser Hinsicht. Denn während die Männer, rot oder fahl, die Beine von sich streckten und die Backen aufbliesen, indem sie nur noch mechanisch dann und wann dem Becher zusprachen, von rechter Dienstfreudigkeit nicht mehr beseelt, hielten die Frauen sich tätiger. Hermine Kleefeld, die nackten Ellbogen auf die Tischplatte gestemmt, die Wangen in den Händen, wies lachend dem kichernden Ting-Fu den Schmelz ihrer Vorderzähne, indes Frau Stöhr, mit angezogenem Kinn über die vorgebogene Schulter kokettierend, den Staatsanwalt ans Leben zu fesseln suchte. Mit Frau Magnus war es dahin gekommen, daß sie auf Herrn Albins Schoß Platz genommen hatte und ihn an beiden Ohrläppchen zog, was aber Herr Magnus eher als Erleichterung zu empfinden schien. Anton Karlowitsch Ferge ward aufgefordert, die Geschichte seines Pleura-Choks zum besten zu geben, kam aber wegen Zungenschlages nicht zustande damit und erklärte ehrlich seinen Bankerott, der als {864} Anlaß zum Trinken einstimmig ausgerufen wurde. Wehsal weinte vorübergehend bitterlich, aus irgendwelchen Elendstiefen, in welche seinen Mitmenschen Einblick zu eröffnen auch seine Zunge nicht mehr imstande war, wurde aber mit Kaffee und Kognak seelisch wieder auf die Beine gebracht und erregte übrigens durch das Gewimmer seiner Brust, durch sein runzelig bebendes Kinn, das von Tränen troff, das bedeutendste Interesse Peeperkorns, der mit erhobenem Zeigefinger und hochgezogenen Arabesken die allgemeine Aufmerksamkeit für Wehsals Zustand in Anspruch nahm.
    »Das ist –«, sagte er. »Das ist nun doch – Nein, erlauben Sie mir: Heilig! Trockne ihm das Kinn, mein Kind, nimm meine Serviette! Oder besser noch, nein, unterlaß es! Er selber verzichtet darauf. Meine Herrschaften, – heilig! Heilig in jederlei Sinn, im christlichen wie im heidnischen! Ein Urphänomen! Ein Phänomen vom ersten – vom obersten – Nein, nein, das ist – –«
    Auf dieses »Das ist«, »Das ist nun

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