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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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auch die Gelegenheit zu haben, deine Haut so zu studieren wie er.
«
    »
Sprechen Sie bitte Deutsch!
«
    »Oh, ich spreche Deutsch, auch auf Französisch.
Das ist so etwas wie eine Studie in Kunst und Medizin – mit einem Wort: es handelt sich um die humanistischen Wissenschaften, du verstehst.
Wie ist es nun, willst du nicht tanzen?«
    »Aber nein, das ist kindisch.
Hinter dem Rücken der Ärzte. Sobald Behrens zurückkommt, wird sich alle Welt in die Sessel stürzen. Das wird sehr lächerlich sein.
«
    »Hast du so großen Respekt vor ihm?«
    »Vor wem?« sagte sie, das Fragewort kurz und fremdartig sprechend.
    »Vor Behrens.«
    »
Aber hör doch auf mit deinem Behrens!
Es ist auch viel zu eng zum Tanzen.
Noch dazu auf dem Teppich …
Wollen wir zusehen, dem Tanze.«
    »Ja, das wollen wir«, pflichtete er bei und schaute neben ihr hin, mit seinem bleichen Gesicht, mit den blauen, sinnig blikkenden Augen seines Großvaters, in das Gehüpf der maskierten Patienten hier im Salon und drüben im Schreibzimmer. Da hüpfte die Stumme Schwester mit dem Blauen Heinrich, und Frau Salomon, die als Ballherr, in Frack und weiße Weste, {1088} gekleidet war, mit hochgewölbter Hemdbrust, gemaltem Schnurrbart und Monokel, drehte sich auf kleinen Lack-Stökkelschuhen, die unnatürlicherweise aus ihren schwarzen Herrenhosen hervorkamen, mit dem Pierrot, dessen Lippen blutrot in seinem geweißten Antlitz leuchteten und dessen Augen denen eines Albino-Kaninchens glichen. Der Grieche im Mäntelchen schwang das Ebenmaß seiner lila Trikotbeine um den dekolletierten und dunkel glitzernden Rasmussen; der Staatsanwalt im Kimono, die Generalkonsulin Wurmbrandt und der junge Gänser tanzten sogar selbdritt, indem sie sich mit den Armen umschlungen hielten; und was die Stöhr betraf, so tanzte sie mit ihrem Besen, den sie ans Herz drückte und dessen Borsten sie liebkoste, als wären sie eines Menschen aufrecht stehendes Haupthaar gewesen.
    »Das wollen wir«, wiederholte Hans Castorp mechanisch. Sie sprachen leise, unter den Tönen des Klaviers. »Wir wollen hier sitzen und zusehen wie im Traum. Das ist für mich wie ein Traum, mußt du wissen, daß wir so sitzen, –
wie ein einzigartig tiefer Traum, denn man muß schon sehr tief schlafen, um so zu träumen … Ich würde sagen: Es ist ein wohlbekannter Traum, schon immer geträumt, lang, ewig, ja, neben dir zu sitzen so wie jetzt, das ist die Ewigkeit.
«
    »
Poet!
« sagte sie. »
Bourgeois, Humanist und Poet, – da hast du den ganzen Deutschen, wie es sich gehört!
«
    »
Ich fürchte, wir sind ganz und gar nicht, wie es sich gehört
«, antwortete er. »
In keiner Hinsicht. Vielleicht sind wir ganz einfach
Sorgenkinder des Lebens.«
    »
Kurioses Wort. Sag mal … Dieser Traum wäre früher doch auch nicht sehr schwer zu träumen gewesen. Der Herr entschließt sich ein wenig spät, das Wort an seine ergebene Dienerin zu richten.
«
    »
Wozu Worte?
« sagte er. »
Wozu reden? Reden, Schwätzen, das ist gut republikanisch, ich gebe es zu. Aber ich bezweifle, ob es auch im selben Maße poetisch ist. Einer unserer Gäste, der ein wenig mein Freund geworden ist, Herr Settembrini …
«
    {1089} »
Er hat dir soeben einige Worte zugerufen.
«
    »
Nun, er ist ohne Zweifel ein großer Redner, er rezitiert sogar gerne schöne Verse, – aber ist dieser Mann ein Poet?
«
    »
Ich bedauere zutiefst, daß ich nie das Vergnügen hatte, die Bekanntschaft dieses Kavaliers zu machen.
«
    »
Das glaube ich gerne.
«
    »
Ah! Das glaubst du.
«
    »
Wie bitte? Das war ein ganz gleichgültiger Ausdruck, was ich da gesagt habe. Wie du wohl bemerkt hast, spreche ich nicht viel Französisch. Dir gegenüber ziehe ich diese Sprache der meinen allerdings vor, denn Französisch Sprechen ist für mich ein Sprechen ohne zu sprechen, gewissermaßen, – ohne Verpflichtung, oder wie wir im Traum sprechen. Verstehst du das?
«
    »
So ungefähr.
«
    »
Das genügt … Sprechen
«, fuhr Hans Castorp fort, »–
eine armselige Sache! In der Ewigkeit spricht man überhaupt nicht! In der Ewigkeit, weißt du, macht man es wie beim Schweinchenzeichnen: man legt den Kopf zurück und schließt die Augen.
«
    »
Nicht schlecht! Du bist in der Ewigkeit zu Hause, ohne jeden Zweifel, du kennst dich dort aus. Man muß zugeben, daß du ein ziemlich wunderlicher kleiner Träumer bist.
«
    »
Außerdem
«, sagte Hans Castorp, »
hätte ich zu dir ›Sie‹ sagen müssen, wenn ich dich früher angesprochen hätte!
«
    »
Oho,

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