Der zauberer von Schreckenstein
das Instrument wieder vom Buckel. Er stellte es in den Schrank und lehnte sich an die vom Treppenhaus abgewandte Seite.
Ottokar tat dasselbe am nächsten Kasten. Jetzt hörten sie nur noch Geflüster. Dann nur Schritte. In zwei Richtungen, wie ihre geübten Ohren unterschieden. Sich entfernende und näherkommende! Als letztere nur noch wenige Meter entfernt sein konnten, traten beide auf gut Glück hinter den Schränken vor. Sie hatten sich nicht geirrt. Es war tatsächlich Sonja Waldmann, die zusammenzuckte und glaubte, ihren Augen nicht zu trauen.
„Wo kommst du denn her?“ Trotz des Flüstertons war Ottokars Vorwurf nicht zu überhören.
„Wir haben uns schon Sorgen gemacht!“ Todernst drohte Stephan mit dem Finger.
Sonja war so verdutzt, dass sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte. Mit der Feststellung, sie habe es offenbar mit zwei Verrückten zu tun, mit der Erklärung, sie sei im Konzert gewesen, mit der Aufforderung schleunigst wieder zu verschwinden, oder mit der Frage, was die beiden denn hier zu suchen hätten, mitten in der Nacht? Nach einigem Gestammel entschied sie sich für die Frage.
„Dich!“ antworteten beide.
Stephan nahm sie am Arm. „Was stehen wir hier rum? Gehen wir in dein Zimmer!“
„Ihr wollt wohl, dass ich fliege?“ flüsterte sie.
Energisch schüttelte Ottokar den Kopf. „Nur Linzertorte! Sicher hast du noch eine unterm Bett.“
Um möglichst schnell vom Korridor wegzukommen, nahm Sonja die beiden mit. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig. Als sie im zweiten Stock stehen blieb und in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel kramte, ging Ottokar zu einer nicht unbekannten Tür, drehte sich um und fragte: „Soll ich die Horn dazu bitten?“ Der Erfolg war, dass Stephan aufschließen musste. Sonja zitterte zu sehr.
Schließlich saßen sie bei Obst und Schokolade in dem netten, hübsch eingerichteten Zimmer. Die Spannung war weg, und ein allgemeines Gähnen brach aus. Sonja fragte nicht einmal mehr, was die beiden hergeführt habe, sie wollte nur noch, dass sie wieder gingen. Und ritterlich, wie Ottokar und Stephan waren, taten sie ihr den Gefallen.
„Du kannst ruhig sagen, dass wir hier waren!“ flüsterte Stephan auf dem Korridor.
„Einen Teufel werd ich...“ Sonja schloss die Tür.
Die beiden Ritter gingen den Weg zurück, schalteten sich die Treppenbeleuchtung ein, holten im ersten Stock das Akkordeon aus dem Schrank und liefen an der Ecke bei voller Beleuchtung einem Mädchen genau in den Weg: Sophie im Bademantel. Zuerst rutschte ihr ein Lächeln heraus, weil sie Ottokar mochte, doch sofort folgte der Argwohn. „Was tut ihr denn hier?“
Da drehte sich Stephan um, damit sie das Akkordeon sehen konnte, und Ottokar erklärte im Plauderton: „Ach, nichts Besonderes... Wir haben uns nur Beas Knautsche ausgeliehen. Sie kann sie sich bei Gelegenheit wieder holen. Sag ihr einen schönen Gruß!“
Dreistigkeit verzögert die Reaktion! hatte Mücke einmal in der Schulzeitung geschrieben. Hier traf das voll zu. Bis Sophie sich gefasst hatte und zu Beatrix lief — sie musste ja vorsichtig sein, um Fräulein Dr. Horn nicht zu wecken —, waren die Ritter bereits unten am Tor.
Ottokar schloss sogar von außen wieder ab. Dann erst befleißigten sie sich einer schnelleren Gangart.
„Mann!“ rief Stephan auf dem Gefalle nach Wampoldsreute.
„Tut das gut, wenn mal wieder andere die Dummen sind!“ Hinter dem Kirchplatz musste er aus dem Sattel. Mit Akkordeon war die Steigung zu steil. „Fahren wir doch den Uferweg!“ schlug Ottokar vor. „Dann sehen wir gleich, ob unsere Wachen schlafen.“
Ohne Licht, von einem verhangenen Mond sparbirnenhaft beleuchtet, schlängelten sie sich hinter dem Großen Schilf zur Burg. Da wurden sie, ungefähr fünfzig Meter vor dem Steg, von einem Lichtstrahl geblendet, und eine Stimme sagte: „Ach, ihr seid’s!“ Dann war’s wieder dunkel.
Die Augen erholten sich von dem Schreck und erkannten einen Ritter, der ihnen entgegenkam — Ralph.
„Du bist ja hellwach!“ lobte Ottokar. „Gibt’s was Neues?“
„Nix. Die Marine macht Ferien. Kommt ihr vom Tanzen?“
Ralph hatte das Instrument entdeckt. Nach kurzem Bericht und ein bisschen Geflachse schoben die beiden ihre Räder den Hang hinauf, wo sie am Durchgang auf die Streife stießen. Noch immer Walter und Beni.
„Ohne besondere Vorkommnisse!“ meldete der.
Wieder erklärten sie und flachsten, bis Stephan ärgerlich sagte: „Ach, jetzt müssen wir ja warten, bis
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