Der zehnte Planet
Gelehrte infolge derÜberraschung eine gewisse Befangenheit, aber gleich darauf übermannte ihn das große Gefühl einer unbeschreiblichen Freude.
»Jurissimus!« schrie der Gelehrte, »ein Rohr!«
»Was für eins?« fragte Jura.
»Ein x-beliebiges . . ., welches Sie wollen!« schrie wiederum der Gelehrte, einen unüberwindlichen Drang verspürend, mit den Füßen zu stampfen. »Nur nicht ein Wasser- oder ein Ofenrohr. Ein Rohr, zum Donnerwetter! . . . Ich kann doch nicht die Begleiter des Zehnten mit bloßen Augen beobachten.«
»Ich verstehe, Michail Sergejewitsch«, stammelte Jura, und der Gelehrte sah, wie sein Schüler vor Verlegenheit seinen Nacken kratzte, »aber . . .«
»Kein ‚aber‘!« der Gelehrte begann zu zittern. »Was ist denn, haben Sie etwa kein Instrument mitgenommen? Sie waren doch verpflichtet, das beste Meniskteleskop mitzunehmen.«
Die Monde krochen schon hinter den Hügeln hervor und stiegen, offenbar auf Südost Kurs haltend, empor. In ihrem Schein sah der Gelehrte jetzt Jura deutlich neben sich.
»Ich habe gar nicht damit gerechnet . . .«, fing Jura, sich entschuldigend, zu sprechen an.
Der Gelehrte geriet völlig außer Fassung.
»Ein Fernglas! Sofort! Es kann auch einOpernglas sein . . .«, zischte er. »So rühren Sie sich doch.«
Der Gelehrte konnte seine Augen nicht von den Monden losreißen.
»Ach ja, ein Fernglas habe ich da . . .«, gab Jura erfreut zurück.
»Geben Sie es her«, sagte der Gelehrte etwas beruhigt, »mich interessiert der linke Trabant.«
»Einen Augenblick«, mit diesen Worten stieg Jura hastig in den Planetoplan.
Der Gelehrte konnte seine Augen nicht von den Monden losreißen. Mit einiger Vorstellungskraft konnte man sie für zwei liebliche Reisegefährten halten, die, wohlanständig Hand in Hand, den Aufstieg auf einem längst vorgezeichneten, bekannten Pfad unternehmen. Die Zeichnung ihrer Mondlandschaft war in keiner Weise der Landschaft des irdischen Mondes ähnlich, obwohl sie auch die Konturen von eventuellen Kratern und Gebirgsketten aufwies. Das Fernglas hätte dazu verholfen, sich in einigen Details zurechtzufinden. Vor Ungeduld bebend, schrie der Gelehrte:
»Jurissimus! Schneller! Was treiben Sie so lange?«
Ein unerwartet aufkommender leichter Wind ließ den Gelehrten die Augen etwas zusammenkneifen, um sie vor dem Sandstaub zu schützen. Er wandte sich um und wollte Jura zur Eile antreiben, das erwies sich aber als überflüssig.
Der Planetoplan war verschwunden.
X
Sein erster Gedanke war der, daß Jura absichtlich fortgeflogen sei, wahrscheinlich zur Erde zurück, um ein Fernrohr zu holen. Dann würde er ungefähr in einer Stunde zurück sein, falls . . .
Und plötzlich stürmten unzählige ‚falls‘ auf den Gelehrten ein . . . ‚Falls Jura nicht die Absicht gehabt hatte, ihn für immer auf dem Zehnten zurückzulassen . . .‘ ‚Falls Jura einen ausreichenden Vorrat an Photonen hatte, um diese zweite Reise zur Erde und zurück zu machen . . .‘ ‚Falls es ihm bei seiner Rückkehr von der Erde auch gelingen wird, wieder an genau demselben Punkt zu landen . . .‘ Und das war eben das Schwierigste, beinahe Unmögliche.
‚Falls aber . . .‘ Der Gelehrte überlegte. Es hat nicht wie üblich eine blendende Explosion der Photonrakete gegeben, kein schreckliches Pfeifen und Getöse . . . Vielleicht ist Jura gar nicht weg?
Der Gelehrte rief:
»Jura . . . Jurotschka! Hallo! Wo sind Sie? Hallo . . .«
Irgendwo hallte ein fernes, kaum vernehmbares Echo: »Hallo!«
Eine kühle, erfrischende Ruhe bemächtigtesich des Gelehrten. Er war hier völlig einsam und fühlte sich als Forscher. Seine einzigen Waffen waren ein großer Vorrat an Kenntnissen und sein harter Wille. Er sah sich aufmerksam um. Der Sandplatz, auf welchem er stand, war vom Mondschein überflutet. Bei der Prüfung des Platzes, wo eben noch der Planetoplan gestanden hatte, fand er die tiefen Furchen und den aufgewühlten Sand. Es war aber kein Anzeichen dafür zu finden, daß der Planetoplan weitergerollt war.
Das einzig Wahrscheinliche war also, daß er senkrecht aufgestiegen war.
»Eine interessante Situation«, sagte der Gelehrte laut. »Man muß den Morgen abwarten.«
Von dem Sandplatz, auf welchem er stand, zweigten sich nach verschiedenen Richtungen Fußwege ab. Irgendwelche Gebäude waren in der Ferne zwischen den Baumgruppen sichtbar. Das dichte Gebüsch am nahen Rande des Platzes erinnerte ihn an den Park des Instituts. Er trat an das Gebüsch heran. Die
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