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Der zehnte Planet

Der zehnte Planet

Titel: Der zehnte Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Beljajew
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schmutzige Lumpen gehüllt. Manche trugen Kinder in ihren Armen . . . Die Menschenähnlichen schwenkten die spitzen Stöcke und schlugen sie.
    Eine Frau sagte etwas mit flehender Stimme; sie streckte, um Mitleid bittend, die Hand empor.
    Der Menschenähnliche versetzte ihr einen Schlag.
    »Du Biest!« rief der Gelehrte außer sich.
    Er sah sich um, nach einem Gegenstand suchend, mit dem er dem Besessenen den Schädelspalten könnte. Es schien ihm unmöglich, diesen Affen ohne Schwanz ungestraft zu lassen.

    In den mit Fell bewachsenen Pfoten hielt er einen sonderbaren langen Gegenstand mit einer Spitze am Ende.
    Der Gelehrte versuchte, eine Latte vom Zaun abzureißen, was ihm mit viel Mühe gelang. Mit der ziemlich schweren Latte bewaffnet, den Drang jugendlicher Kräfte in sich spürend und vor Wut zitternd, sprang er über den Zaun.
    Er hatte das sehr geschickt gemacht und schwenkte schon den Arm, um dem andern einen Hieb zu versetzen, als er im gleichen Augenblick vor Überraschung erstarrte. Hinter dem Zaun sah er nicht das geringste Anzeichen für die Anwesenheit von Menschen oder des menschenähnlichen Besessenen. Hinter den niedrigen Gebäuden mit ihren Kerkerfenstern lag ein glatter, mit kurzgeschnittenem Rasen bedeckter Platz. Das war überraschend und rätselhaft.
    Trotzdem kam der Gelehrte gleich wieder zu sich, und seine Gedanken nahmen die für diesen Fall einzig gegebene Richtung. Demnach war es unbedingt nötig, die Sache zu ergründen. Die Natur gibt dem Menschen in jeder Sekunde sehr komplizierte Rätsel auf. Soll nun gerade er, der Gelehrte Solnzew, der seinerzeit das Geheimnis um das Spektrum des Sterns Gamma Cephei gelöst hat, vor diesen Überraschungen versagen?
    Ohne Eile kletterte er über den Zaun auf den Platz zurück und, sich mit der Brust auf den gewölbten Querbalken stützend, strich er mit der Hand darüber, indem er auf seine Vorsprünge drückte.
    Er war jetzt gar nicht erstaunt, als vor ihm neue Erscheinungen auftauchten. Eine eintönige, bedrückende Silhouette von braunen Ziegelhäusern, alle mit gleichen grünen Dächern, zog sich als langweilige Straße dahin. Schmale Bürgersteige, geplatzte asphaltierte Fahrdämme. Hinter einer Ecke hervor trat eine Kolonne von den Wesen, in denen der Gelehrte anfangs Menschen zu erkennen geglaubt hatte, auf die Straße.
    Aber es waren keine Menschen, sondern dieselben sonderbaren, widerlichen Geschöpfe.
    Affenähnliche Jünglinge schwankten wie aufgezogene Figuren in einem Panoptikum, wo in der Schreckenskammer mittelalterliche Tyrannen und Menschenfresser, die irgendwann das Dickicht von Neuguinea bevölkert hatten, gezeigt werden.
    Sie marschierten alle im Takt, den Linksschritt betonend, mit Gesichtern, die wie gestanzt wirkten; zottige Bestien mit bösen Augen.
    Den Gelehrten erinnerten sie sehr an Kiemenkröten,die sich auf ihre Hinterbeine gestellt haben.
    Das Zeichen einer sechsbeinigen Spinne, das auf der Backe eines jeden zu sehen war, ähnelte dem Brandmal eines Verbrechers, der sich an diese scheußliche Tätowierung bereits gewöhnt hat.
    Sie trugen eigenartige kurze Stöcke über der Schulter.
    Beim Herannahen der Affenähnlichen wurden die Fenster und die Türen der Häuser hastig geschlossen. Ein Hund kroch unter das Tor, aber zum Anbellen kam er nicht mehr; denn einer der Marschierenden richtete den Stock auf ihn, aus dem Feuer schlug. Der Hund lag tot am Boden.
    Der Führer, vor der Bande marschierend, trug auf der Schulter eine riesige Streitaxt.
    Er gab ein Kommando; die Bande blieb stehen. Die Banditen stießen ein schäbiges Geschöpf, mit Fetzen am Leibe, auf den Fahrdamm. Der Gelehrte konnte nicht gleich bemerken, daß es ein junger Mann war, fast noch ein Knabe.
    Das lächelnde Gesicht des Führers verzog sich zu einer Fratze. Die haarige Pfote reichte dem Gefangenen eine große saftige Banane, die dieser rasch ergriff.
    Jetzt erblickte der Gelehrte die tiefen, leidvollen Augen des Jünglings. Er wagte es nicht, die Banane zu essen; er schaute nur auf die Frucht, ohne zu glauben, daß man ihm das Essen gestatten würde.
    Der Affenähnliche streichelte dem Jüngling den Rücken. Dann stellte er ihn auf die Knie, mit dem Rücken zu sich, und flüsterte ihm etwas ins Ohr, indem er seinen Kopf mit der Pfote etwas zur Seite bog. Alles auf der Welt vergessend, begann der Jüngling, die Banane zu essen.
    In dem Moment schwang der Affenähnliche die Streitaxt . . . Mit Mühe nach Atem ringend, ging der Gelehrte vom Zaun fort.

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