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Der Zeichner der Finsternis

Der Zeichner der Finsternis

Titel: Der Zeichner der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Zusammenhang? Aber welchen?
    Das wusste ich selbst nicht. Es kam mir nur irgendwie unheilvoll und bedeutsam vor, dass der Mordfall und Catherine Blevertons Tod so rasch aufeinandergefolgt waren.
    Wahrscheinlich dachte ich schon wie Onkel Hank. Für einen Polizisten gibt es keine Zufälle.
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    Ich verabredete mich für den nächsten Tag mit Sarah vor Dr. Rainiers Villa, dann machte ich den Computer aus. Ich schlich aus dem Zimmer zum Treppenabsatz – ich wusste aus Erfahrung, wo die Dielen knarrten – und spitzte die Ohren. Man hörte Onkel Hanks Bass und Dr. Rainiers leise melodische Stimme, unterbrochen von Wassergeplätscher und Geschirrgeklapper. Die beiden wuschen ab und plauderten dabei … wie ein altes Ehepaar.
    Das brachte mich ziemlich durcheinander.
    Nachdem ich mich bettfertig gemacht hatte, schlüpfte ich unter die Decke. Obwohl ich todmüde war und nicht mehr klar denken konnte, schwirrte mir der Kopf. Es kam mir vor,als säße ich vor einem Puzzle, von dem mir nur noch ganz wenige Teile fehlten. Mein Hirn fühlte sich an wie ein von Baumstämmen aufgestauter Fluss, der strudelt und schäumt. Das Wasser bricht sich Bahn, die Stämme geraten in Bewegung und nehmen Fahrt auf.
    Eine halbe Stunde später – ich hörte zwischendurch die Haustür ins Schloss fallen, Dr. Rainier wegfahren und Onkel Hank die Treppe hochkommen – knipste ich meine Nachttischlampe an, stieg wieder aus dem Bett, holte meine Jeans und zog die Liste aus der Hosentasche.
    Ich hatte die Stichpunkte zum Teil schon ergänzt, zum Beispiel hatte ich zu weiße Dame noch Synagoge dazugeschrieben. Aber jetzt, wo ich mehr wusste, hatte ich das Gefühl, als müsste ich die Stichpunkte in einen sinnvollen Zusammenhang bringen, und sei es nur für mich allein.
    Ich nahm meinen Schreibblock und legte los:
    Mordechai Mendel Witek war ein polnischer Maler. Um 1935 zog er nach Winter. Seine Frau hieß Chana, und die beiden hatten zwei Kinder, Marta und David. Witek arbeitete als Porzellanmaler in den Eisenmann-Betrieben und trat der Gewerkschaft bei. Damals hatte die Gewerkschaft zahlreiche jüdische Mitglieder, denn in Winter lebten so viele Juden, dass sie sogar eine eigene Synagoge hatten. Die Synagoge hieß Beit Tikwa, wurde aber auch »die weiße Dame« genannt. Die jüdische Gemeinde erlaubte den Gewerkschaftern, dort ihre Versammlungen abzuhalten.
    Im Juni 1945 stellte Eisenmann seine Arbeiterwohnheime dem Militär zur Verfügung, damit dort deutsche Kriegsgefangene untergebracht werden konnten. Weil viele Einwohner von Winter deutsche Vorfahren haben, hatten sie nichts dagegen.Die Kriegsgefangenen sollten in der Landwirtschaft und in der Fabrik arbeiten, weil dort Arbeitskräfte fehlten.
    Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf, aber ich bekam ihn nicht zu fassen. Ich starrte eine Weile auf meinen letzten Absatz, aber es nützte nichts.
    Ich schrieb weiter: Es gab wahrscheinlich schon vorher deswegen Probleme mit der Gewerkschaft, denn die ersten Kriegsgefangenen kamen bereits 1942 in die USA. Vielleicht hatte Eisenmann schon früher Gefangene angefordert, musste aber warten, bis er an der Reihe war. Aber Eisenmann ist reich und bekommt, was er will. Vielleicht ging es ihm ja auch gar nicht darum, dass er zu wenig Arbeiter hatte, sondern er wollte nur der Gewerkschaft eins reinwürgen. So konnte er den jüdischen Gewerkschaftern drohen, ihre Arbeitsplätze mit Nazis zu besetzen, falls die Gewerkschaft zum Streik aufrief.
    Das leuchtete mir ein. Eisenmann war bestimmt skrupellos. Auch andere Fabrikbesitzer waren auf diese Art mit ihren gewerkschaftlich organisierten Arbeitern umgesprungen, indem sie einfach Streikbrecher herangekarrt hatten. Aus dem Geschichtsunterricht wusste ich, dass es in Wisconsin während der Großen Depression in den 30er Jahren mehrere große Streiks gegeben hatte.
    Dann treffen die Deutschen in Winter ein. Witek ist Gewerkschaftssprecher. Er ist stinksauer. Die anderen Gewerkschafter auch. Aber sie können nichts machen.
    Ab hier ging mir der Stoff aus. Die Deutschen kamen im Juni oder Juli hier an, der Mord hatte sich im Oktober ereignet. Was war dazwischen geschehen? Laut den Zeitungen hatte sich Witek in Charles Eisenmanns Verlobte Catherine Bleverton verliebt oder sogar ein Verhältnis mit ihr …
    Hatte sich Eisenmann vielleicht mit Witek getroffen und ihm gesagt, er solle die Finger von seiner Verlobten lassen? Brotz war vielleicht nur dabei, weil Eisenmann einen Zeugen mitgenommen hatte. Es kommt zum

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