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Der Zeichner der Finsternis

Der Zeichner der Finsternis

Titel: Der Zeichner der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Scheune geradelt. Ich hatte die Scheune angesprüht, nicht den Bahnhof oder die Fabrik.
    Ich war auf den Heuboden geklettert, hatte mich an einem Seil aus dem Fenster gehängt und Wolfsaugen und Hakenkreuze an die Scheunenwand gesprüht, dazu die Worte: ICH SEHE DICH .
    David hatte seinen Vater gesehen , aber der war kein Deutscher, sondern Pole. War der ermordete Walter Brotz ein deutscher Kriegsgefangener gewesen? In der Zeitung war aber nur von einem Fabrikarbeiter die Rede. Ich hatte etwas übersehen. Aber was?
    + + +
    Rätsel Nummer drei: Konnte ich auch absichtlich, wenn ich wach war, durch die Zeit reisen?
    Es gab nur eine Möglichkeit, das festzustellen.
    Mit Kugelschreiber und Block in der Hand schloss ich die Augen und stellte mir eine leere Leinwand vor. Sollte etwas geschehen, würde ich es aufmalen; das war mir ja bereits im Schlaf gelungen. Mal sehen, ob es klappte.

XXIV
    Es klappte nicht. Diesmal jedenfalls nicht.
    Als ich aufwachte, stellte ich lediglich fest, dass ich einen steifen Hals hatte. Ich war im Sitzen eingeschlafen. Gleichzeitig spürte ich ganz deutlich, dass etwas Entscheidendes passiert war. Ich hatte bloß keine Ahnung, was. Auf meinem Bettzeug waren ein paar blaue Striche, wo ich mich im Schlaf umgedreht hatte, aber das Blatt auf dem Block war weiß. Entweder war David offline oder ich war zu müde gewesen.
    Beim Zähneputzen fiel mir die weiße Dame – Beit Tikwa – wieder ein. Es musste doch noch jemanden geben, der etwas über die Synagoge und die damalige Gemeinde wusste! Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sich eine ganze Gemeinde in Luft aufgelöst hatte.
    Ich ging noch mal ins Internet und stieß schließlich auf das Jüdische Museum von Wisconsin. Auf der Webseite war die Rede von einem umfangreichen Archiv. Doch das Museum war in Milwaukee, drei Stunden Autofahrt von Winter entfernt. Außerdem schloss es freitags schon am frühen Nachmittag und war samstags gar nicht geöffnet. Sonntags hatte es allerdings wieder offen und das war sowieso der einzige Tag, an dem ich wegkonnte. Ich sah auf die Uhr. Sollte ich einfach anrufen und sagen … ja, was eigentlich?Hallo, ich bin ein Schüler aus Winter und bei uns gab’s früher mal eine Synagoge, aber die ist abgebrannt, und dann sind alle Juden hier weggezogen – können Sie mir vielleicht sagen, warum?
    Ich klickte Kontakt an und landete auf der Seite des Archivs, wo es ein Frageformular gab. Was hatte ich schon zu verlieren?
     
    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Betreff: Synagoge in Winter
     
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    Ich heiße Christian Cage und gehe in die elfte Klasse der Winter High School in Winter, Wisconsin. Ich schreibe ein Referat über die Geschichte unserer Stadt und habe erfahren, dass es in Winter eine Synagoge namens Beit Tikwa gab. Die Synagoge wurde auch »die weiße Dame« genannt. Sie brannte im November 1945 nieder und wurde nicht wieder aufgebaut. Ich wüsste gern, warum nicht. Außerdem interessiert mich, weshalb die jüdische Bevölkerung unsere Stadt verlassen hat. Hat das damit zu tun, dass es in Winter ein deutsches Kriegsgefangenenlager gab? Ich habe schon herausgefunden, dass viele deutsche Gefangene ebenso wie Italiener und Japaner im Zweiten Weltkrieg hier in den USA in der Landwirtschaft und in Fabriken gearbeitet haben. Bei uns in Winter scheint aber niemand mehr etwas darüber zu wissen. Und in den Zeitungen von damals steht auch nicht viel.
    Dass in Winter niemand mehr etwas über das Thema wusste, war ein bisschen geschwindelt, denn ich hatte bis jetzt ja nur mit Sarah und Dr. Rainier darüber gesprochen, aber egal.
     
    Es erinnert sich auch niemand mehr an die Synagoge.
    Vielleicht ist das Ganze schon zu lange her. Es könnte aber auch mit einem Mord zu tun haben, der sich einen Monat vor dem Brand der Synagoge ereignet hat. Das Opfer hieß Walter Brotz, der Täter war der jüdische Maler Mordechai Mendel Witek. Er wurde nie gefasst. Den Link zu dem Zeitungsartikel darüber hänge ich an.
    Ich hielt inne. Sollte ich David erwähnen? Aber was sollte ich über ihn erzählen? Ich tippte weiter:
     
    Mordechai Witeks einziger noch lebender Verwandter – und meines Wissens auch der letzte Jude in Winter – ist sein Sohn David Witek. Mr David Witek leidet jedoch an schwerem Alzheimer und kann sich nicht mehr verständlich machen.
    Auch das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber ich wollte schließlich nicht komplett verrückt klingen.
     
    In den

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