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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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räumte allerdings ein, dass so etwas falsch sein konnte, wenn man nicht Susanne Sto Helit hieß. Die Papiere befanden sich in einem recht guten Safe, der selbst einem geschickten Dieb mindestens zwanzig Minuten lang Widerstand geleistet hätte. Seine Tür schwang sofort auf, als Susanne sie berührte, ein Zeichen dafür, dass in diesem Fall besondere Regeln galten.
    Für Fräulein Susanne gab es keine verschlossenen Türen. Das lag in der Familie. Manchmal werden Gene auch über die Seele weitergereicht.
    Als sie sich über die Angelegenheiten der Schule informiert hatte – hauptsächlich deswegen, um der Ratte zu zeigen, dass man nicht einfach so ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen konnte –, stand sie schließlich auf.
    »Na schön«, sagte sie müde. »Du hast vor, mich weiter zu belästigen, nicht wahr? Für immer und immer und immer.«
    Der Rattentod sah sie an und neigte dabei den Kopf zur Seite.
    QUIEK, sagte er gewinnend.
    »Nun, ja, ich mag ihn«, sagte Susanne. »In gewisser Weise. Aber, ich meine, es ist nicht richtig. Warum braucht er mich? Er ist der Tod und damit nicht unbedingt machtlos! Ich bin nur ein Mensch!«
    Die Ratte quiekte erneut, sprang zu Boden und lief durch die geschlossene Tür. Dann kehrte sie zurück und winkte.
    »Na schön«, sagte Susanne zu sich selbst. »Ich bin größtenteils ein Mensch.«
     
    Tick
     
    Und wer ist dieser Lu-Tze?
    Früher oder später stellte sich jeder Novize diese recht komplexe Frage. Manchmal dauerte es Jahre, bis sie herausfanden: Jener kleine Mann, der überall fegte, ohne zu klagen die Aborte der Schlafsäle reinigte und gelegentlich aus seltsamen Texten zitierte, die niemand kannte, war der legendäre Held, von dem es geheißen hatte, dass sie ihm eines Tages begegnen würden. Und wenn sie ihm dann gegenübertraten, stellten sich die klügsten von ihnen ihrem eigenen Selbst.
    Die meisten Kehrer stammten aus den Dörfern im Tal. Sie gehörten zum Personal des Klosters, hatten aber keinen Status. Sie erledigten alle langweiligen und schmutzigen Arbeiten. Man sah sie immer im… Hintergrund: Sie beschnitten die Kirschbäume, wischten den Boden, reinigten die Karpfenteiche und fegten dauernd. Niemand von ihnen besaß einen Namen. Ein nachdenklicher Novize wäre vermutlich zu dem Schluss gelangt, dass die Kehrer Namen haben mussten, damit sie von anderen Kehrern unterschieden werden konnten, aber zumindest auf dem Tempelgelände gab es für sie keine Namen, nur Anweisungen. Niemand wusste, welchen Ort sie in der Nacht aufsuchten. Es waren einfach nur Kehrer. Aber auch Lu-Tze fegte.
    Eines Tages traten drei ältere Novizen, die Unfug im Kopf hatten, den kleinen Schrein um, der neben Lu-Tzes Schlafmatte stand.
    Am nächsten Morgen erschienen die Kehrer nicht zur Arbeit. Sie blieben in ihren Hütten, hinter verriegelten Türen. Der Abt - damals war er wieder fünfzig Jahre alt gewesen – stellte einige Nachforschungen an und rief die drei Novizen zu sich. Drei Besen lehnten an der Wand. Und der Abt sprach:
    »Wisst ihr, dass die schreckliche Schlacht der fünf Städte nicht stattfand, weil der Kurier rechtzeitig eintraf?«
    Das wussten sie. Sie hatten zu Beginn ihrer Ausbildung davon erfahren. Und sie verbeugten sich nervös, denn immerhin sprach der Abt zu ihnen.
    »Und wisst ihr auch, dass das Pferd des Kuriers unterwegs ein Hufeisen verlor und der Reiter plötzlich einen Mann sah, der mit einer tragbaren Esse neben der Straße ging und eine Schubkarre mit einem Amboss schob?«
    Sie wussten es.
    »Und wisst ihr, dass dieser Mann Lu-Tze hieß?«
    Sie wussten es.
    »Wisst ihr auch, dass Janda Trapp, Großmeister des Okidoki, Toro-fu und Chang-fu nur einem Mann unterlag?«
    Sie wussten es.
    »Und wisst ihr, dass dieser Mann Lu-Tze hieß?«
    Sie wussten es.
    »Erinnert ihr euch an den Schrein, den ihr gestern Abend umgestoßen habt?«
    Sie erinnerten sich daran.
    »Und wisst ihr, dass er einen Eigentümer hat?«
    Stille folgte. Der Klügste der drei Novizen sah den Abt entsetzt an, schluckte, nahm einen der drei Besen und verließ das Zimmer.
    Die anderen beiden waren schwerer von Begriff und mussten auch den Rest der Geschichte hören, bis sie verstanden.
    Dann sagte einer von ihnen: »Aber es war doch nur der Schrein eines Kehrers!«
    »Nehmt die Besen und fegt«, befahl der Abt. »Von jetzt an werdet ihr jeden Tag fegen, bis ihr Lu-Tze findet und ihm zu sagen wagt: ›Kehrer, ich war es, der deinen Schrein umstieß, und jetzt werde ich dir voller Demut

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