Der Zeitdieb
sie einen Knüppel?«, fragte Susanne.
»Sie nahm das Schwert ihres Vaters!«
»Gut.«
»Hör mal, Susanne… Ich glaube, ich weiß, worum es dir geht«, sagte Madame Frout, die es eigentlich nicht wusste. »Aber Eltern verstehen so etwas nicht.«
»Ja«, entgegnete Fräulein Susanne. »Manchmal denke ich, dass Eltern eine richtige Prüfung bestehen müssten, bevor man ihnen erlauben kann, Eltern zu werden. Ich meine, nicht nur den praktischen Teil.«
»Trotzdem müssen wir ihre Meinungen respektieren«, sagte Madame Frout, aber es fehlte ihren Worten an Nachdruck, da ihr gelegentlich ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen.
Und dann die Sache mit dem Elternabend. Madame Frout war zu angespannt gewesen, um darauf zu achten, was ihre neueste Lehrerin machte. Sie sah nur, dass Susanne dasaß und ruhig mit Paaren sprach, bis Jasons Mutter nach einem Stuhl griff und Jasons Vater damit aus dem Zimmer jagte. Am nächsten Tag traf von Jasons Mutter ein großer Blumenstrauß für Susanne ein, und von Jasons Vater bekam sie einen noch größeren.
Andere Paare wirkten nach dem Gespräch mit Susanne beunruhigt oder von Sorgen gequält. Und als beim nächsten Mal das Schulgeld fällig wurde, stellte Madame Frout erstaunt fest, dass die Eltern bereitwillig zahlten.
Und so geschah es wieder: Madame Frout, die ständig an Dinge wie Ruf, Kosten und Gebühren denken musste, hörte manchmal die leise Stimme von Fräulein Frout, die eine gute, wenn auch schüchterne Lehrerin gewesen war, und diese Stimme freute sich über Susanne.
Jetzt wirkte Susanne besorgt. »Bist du mit meiner Arbeit nicht zufrieden, Madame?«
Madame Frout wusste nicht, wie sie auf diese Frage antworten sollte. Sie war tatsächlich nicht zufrieden, aber aus den falschen Gründen. Und ihr wurde allmählich klar, dass sie es nicht wagte, Fräulein Susanne den Laufpass zu geben oder gar zuzulassen, dass sie von selbst ging. Wenn sie eine Schule gründete und sich die Sache herumsprach, so würde »Lernen durch Spaß« Schüler und damit auch Schulgeld verlieren.
»Nun, ich… nein, natürlich nicht, aber…«, begann sie und merkte, dass Fräulein Susanne an ihr vorbeisah.
Sie bemerkte… Madame Frout griff nach ihrer Brille und stellte fest, dass sich die Schnur an den Knöpfen der Bluse verheddert hatte. Sie blickte zum Kaminsims und sah dort einen Schemen.
»Nun, das scheint… eine weiße Ratte mit einem kleinen schwarzen Kapuzenmantel zu sein«, sagte sie. »Und sie läuft auf den Hinterbeinen! Siehst du sie ebenfalls?«
»Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wieso eine Ratte einen Kapuzenmantel tragen sollte«, erwiderte Fräulein Susanne. Dann seufzte sie und schnippte mit den Fingern. Das Fingerschnippen war nicht unbedingt erforderlich, aber die Zeit hielt an.
Zumindest hielt sie für alle anderen an, nur nicht für Fräulein Susanne.
Und auch nicht für die Ratte auf dem Kaminsims.
Die eigentlich das Skelett einer Ratte war, was sie aber nicht daran hinderte, Süßigkeiten aus Madame Frouts »Glas für brave Kinder« zu stehlen.
Susanne trat näher und griff nach dem Kragen des kleinen Kapuzenmantels.
QUIEK?, fragte der Rattentod.
»Ich hab mir gedacht, dass du es bist!«, zischte Susanne. »Wie kannst du es wagen, noch einmal hierher zu kommen! Habe ich dir nicht deutlich genug zu verstehen gegeben, was ich von deinen Besuchen halte? Und glaub bloß nicht, ich hätte dich nicht gesehen, als du im vergangenen Monat gekommen bist, um Henry den Hamster zu holen! Weißt du eigentlich, wie schwer es ist, Geographie zu unterrichten, wenn jemand Hamsterkot aus einer Tretmühle tritt?«
Die Ratte kicherte. SNH. SNH. SNH.
»Und du stiehlst Süßigkeiten! Leg das Bonbon sofort zurück!«
Susanne ließ die Ratte vor der erstarrten Madame Frout auf den Schreibtisch fallen und zögerte.
Sie versuchte immer, sich zurückzuhalten, aber manchmal musste man der eigenen Natur genügen. Sie zog die unterste Schublade des Schreibtischs auf und prüfte den Pegel der Flasche, mit dem sich Madame Frout in der wundervollen Welt der Bildung tröstete. Zufrieden stellte Susanne fest, dass die Rektorin nicht mehr so viel trank. Die meisten Leute haben ein Mittel, mit dem sie die Lücke zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit füllen, und unter solchen Umständen gab es Schlimmeres als Gin.
Anschließend ging sie Madame Frouts persönliche Papiere durch, und dies muss über Susanne gesagt werden: Sie glaubte nicht, dass daran etwas falsch war,
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