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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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fressen
    mussten, um Energie und Substanz für das Wachstum des eigenen
    Körpers zu erhalten. Allerdings erwies sich dieser Vorgang als
    außerordentlich ineffizient, und Ihre Ladyschaft hatte versucht,
    Nährstoffe aus der Luft zu gewinnen. Das gelang ihr durchaus, aber es 202

    fühlte sich – Wie hieß der richtige Ausdruck? Ah, ja… – unheimlich an.
    Außerdem wollte ein Teil des Gehirns nicht glauben, dass es
    Nährstoffe bekam, beharrte deshalb darauf, hungrig zu sein. Sein
    zunehmendes Drängen wirkte sich auf das Denken aus, und deshalb
    musste sich Lady LeJean der ganzen Sache mit den, nun, Körperöffnungen widmen.
    Die Revisoren wussten schon seit langer Zeit davon. Offenbar hatte
    der menschliche Körper bis zu acht Öffnungen. Eine schien nicht zu
    funktionieren, und die anderen nahmen mehrere Funktionen wahr, bis
    auf die Ohren, die überraschenderweise nur einem Zweck dienten.
    Am vergangenen Tag hatte Lady LeJean eine Scheibe trockenen Toast
    probiert.
    Es war die schlimmste Erfahrung ihrer Existenz.
    Es war auch die intensivste Erfahrung ihrer Existenz.
    Und es war noch etwas anderes gewesen, und zwar angenehm, um ein Wort aus der menschlichen Sprache zu benutzen.
    Der Geschmackssinn bei den Menschen unterschied sich völlig von
    dem entsprechenden Sinn der Revisoren, der es verdiente, präzise und analytisch genannt zu werden. Der menschliche Geschmackssinn
    hingegen… Man schien von der ganzen Welt am Mund getroffen zu
    werden. Eine halbe Stunde lang hatte Lady LeJean ein Feuerwerk in
    ihrem Kopf beobachtet, bevor sie daran dachte zu schlucken.
    Wie überlebten Menschen so etwas?
    Die Kunstausstellungen waren sehr interessant gewesen. Ganz
    offensichtlich konnten einige Menschen die Realität auf eine Weise
    darstellen, durch die sie noch realer wurde, dem Betrachter etwas
    Besonderes mitteilte, etwas in seinem Selbst berührte… Aber warum
    waren solche Präsentationen überhaupt notwendig? Warum sollte
    jemandem daran gelegen sein, den menschlichen Sinnen zusätzliche
    Stimuli zu bieten? Konnte es sein, dass sich die Menschen an ihre Art der Wahrnehmung gewöhnten ?
    Und das war erst der Anfang…
    Je eher die Uhr fertig gestellt wurde, desto besser. Einer so verrückten Spezies durfte es nicht erlaubt sein, weiterhin zu überleben. Inzwischen 203

    besuchte Lady LeJean den Uhrmacher und seinen hässlichen Assistenten jeden Tag. Sie gewährte ihnen so viel Hilfe wie möglich, aber immer
    wieder ergaben sich kleine Probleme, die weitere Arbeit erforderten…
    Erstaunlich! Sie war sogar imstande, sich selbst zu belügen! Eine andere Stimme in ihrem Kopf, die zum dunklen Komitee gehörte, sagte: Du
    hilfst ihnen überhaupt nicht. Nein, du lässt Teile verschwinden,
    beschädigst andere… Und du besuchst den Uhrmacher deshalb jeden
    Tag, weil er dich so seltsam ansieht.
    Einige Mitglieder des inneren Komitees – sie waren so alt, dass sie
    keine Stimmen hatten, nur direkte Kontrolle über den Körper - wollten an dieser Stelle eingreifen. Die Lady versuchte, sie aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen.
    Und jetzt musste sie den anderen Revisoren gegenübertreten. Sie
    waren bestimmt pünktlich.
    Lady LeJean riss sich zusammen. Seit einiger Zeit geschah es immer
    wieder, dass ihr Wasser aus den Augen rann, und zwar aus keinem
    ersichtlichen Grund. Sie versuchte ihr Haar zu ordnen, ging dann in den großen Salon.
    Gräue verdichtete sich bereits in der Luft. An diesem Ort gab es nicht genug Platz für viele Revisoren, aber das spielte eigentlich keine Rolle.
    Einer konnte für alle sprechen.
    Lady LeJean spürte, wie sich ihre Mundwinkel nach oben wölbten, als
    neun Kutten erschienen. Neun, das bedeutete dreimal drei. Die
    Revisoren mochten die Zahl drei. Zwei behielten den anderen im Auge.
    Jeweils zwei behielten den jeweiligen dritten im Auge.
    Sie trauen sich nicht, sagte eine Stimme im Kopf der Lady. Eine andere fügte hinzu: Es heißt wir. Wir trauen uns nicht. Und sie dachte: Oh, ja.
    Wir. Nicht sie. Ich darf nicht vergessen, dass ich wir bin.
    Ein Revisor sagte: Warum gibt es keine weiteren Fortschritte?
    Lady LeJeans Mundwinkel kamen wieder nach unten.
    »Es hat kleine Probleme bei Präzision und Ausrichtung gegeben«,
    erwiderte sie. Sie merkte, dass sich ihre Hände langsam rieben. Was
    mochte der Grund dafür sein? Sie hatte sie nicht zu einer derartigen Aktivität aufgefordert.
    204

    Die Revisoren hatten nie eine Körpersprache benötigt, deshalb
    verstanden sie sie auch

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