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Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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gewaltige Anstrengung, um den Glanz des Reiches wiederherzustellen. Ich wurde mit der Ausführung seines Planes beauftragt und starb dabei zum ersten Mal. Doch das half nichts. Er scheiterte – wenn auch nicht so sehr am Konzept, sondern an der Ausführung. Beinahe tausend Jahre später stieß ich auf das fehlende Element, von dem ich glaubte, dass es all die Prophezeiungen, die ich einmal in Händen gehalten hatte, wahr werden lassen konnte. Ich hatte Unrecht und bezahlte für meinen Fehler mit dem Untergang meines Königreichs.«
    »Was für ein Fehler war das?«, fragte Fischmehl nach einem Augenblick respektvollen Zögerns.
    »Ich schloss einen Pakt mit jemandem, der wusste, wie die ursprünglichen Prophezeiungen wiederhergestellt werden konnten… oder der zumindest Zugang zu anderen Quellen hatte. Er schrieb die verbrannten sechs Bücher erneut nieder. Als ich alle neun Bände besaß, machte ich mich daran, mein Schicksal wieder in die Hand zu nehmen. Ich ahnte jedoch nicht, dass das, worauf ich mich einließ, kein neues Leben als Herrscher von Rom war, sondern mein zweiter Tod und die Herrschaft über Nekropolis. Zu meinem ewigen Bedauern bemerkte ich zu spät, dass die Bücher Fälschungen enthielten, unwahre Geschichten. Die Prophezeiungen waren nicht wiederhergestellt worden, sie waren von Anfang bis Ende erdichtet. Erdichtet«, sagte er anklagend und wies auf den Kopf des Skalden, »von ihm.«
    »Es war zu spät, Lucius«, sagte Wasily sanft. »Deine Zeit war bereits abgelaufen. Du warst nicht an der Wahrheit interessiert, sondern an einem Zeitalter, das nicht existieren sollte.
    Manche Dinge dürfen nicht verändert werden. Prophezeiungen können sich erfüllen, doch jene, die es nicht tun, sind nur Geschichten. Und du kannst die Wirklichkeit nicht einer Geschichte anpassen.«
    »Wenn das so wäre, Skalde«, fauchte der goldene König, »dann hättest du mich nicht aufsuchen müssen.«
    »Vielleicht. Aber du bist einmal ein Mann der Veränderungen gewesen – du könntest es wieder sein, wenn du es nur für nötig erachten würdest, uns zu helfen.«
    »Meine Welt ist zu Asche geworden, Wasily. Ich kann nicht mehr zurück. Sie kann niemals wieder aufgebaut werden. Warum in Saturns Namen sollte ich dir helfen, eine Welt zu retten, die nicht einmal die deine ist? Er hat den Prozess in Gang gesetzt, und niemand kann sich gegen ihn stellen. Lass es geschehen – das ist meine Meinung!« Lucius machte eine wegwerfende Handbewegung. »Lass den Winter kommen.«
    »Warte!«, sagte Hammurabi, der in der Geografika geblättert hatte. »Du bist einmal ein König gewesen«, sagte er und Smotay zuckte zusammen. »Warum hattest du solches Interesse an Prophezeiungen, die dein Königreich betrafen?«
    »Weil, junger Hüpfer, das die Aufgabe eines Königs ist«, erwiderte Lucius. »Es nützt nichts, Macht anzuhäufen, wenn man nicht auch die Verantwortung dafür übernimmt.«
    »Dann stell dich ihr«, sagte Ham und packte den Atlas fester, »denn ich bin ein Untertan des Reiches, das dir gehörte. Am Rande deines Königreichs lag eine Region, die Farah hieß. Ich stamme von den Menschen dieser Region ab und schulde dir deshalb Lehnstreue. Wirst du einem Untertan, ganz gleich wie fremdländisch er sein mag, deine Hilfe verweigern, wenn er sich noch an die Zeit deiner Herrschaft erinnert?«
    Ein verärgerter Ausdruck huschte über Lucius’ Gesicht und verwandelte sich zunächst in Neugier und schließlich in Belustigung. Die Plattform sank währenddessen weiter in den Boden hinab, wo sich ein gewaltiger Stein öffnete und den Blick auf eine darunterliegende Höhle freigab. »Kleiner Hammurabi«, sagte er, »vielleicht steckt mehr von deinem Namensvetter in dir, als ich vermutet habe. Dein Gesuch ist nicht nur schlau und schmeichelt meiner Eitelkeit, es ist auch demütig. Ich werde dir geben, worum du mich bittest. Ich werde euch sagen, wo ihr denjenigen findet, den ihr sucht. Aber seid gewarnt! Nur eines ist schlimmer, als niemals zu bekommen, worum man bittet: Wenn es einem gegeben und sogleich wieder genommen wird. Wenn ihr den Mann findet, der eure Welt retten kann, haltet sie sorgsam fest oder sie wird in den Ewigkeiten verschwinden. Ihr findet ihn auf der Insel der Großväter.«
    Mit diesen Worten trat Lucius durch die Öffnung, und der gewaltige runde Stein rollte grollend davor.
     

     
    »Das war’s?«, fragte Hammurabi schroff, als Smotay sie wieder zur Oberfläche zurückführte. »Das ist alles, was wir

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