Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
Vom Netzwerk:
vertrocknetem Fleisch und Knochen und fragte sich, ob ihm bei seinen Überlegungen nicht ein entscheidender Fehler unterlaufen war.
    Und Fischmehl kam zu einem stillen Entschluss: Sollte es ihm überhaupt möglich sein, die Lage eines Ortes zu vergessen, dann würde dieser ganz weit oben auf der Liste stehen.
    König Smotay bedeutete der Menschenmenge auf den Baikonen ruhig zu sein. Er hob beide Arme und beschwor mit einer kräftigen, staatsmännischen Stimme den Mann herbei, den sie aufsuchen wollten.
    »O Mächtiger, Lucius Tarquinius Priscus, genannt König Tarquin, der fünfte König von Rom, Eroberer der Südländer und Herrscher über das Königreich der Toten, wir ersuchen um eine Audienz. Werdet Ihr uns mit Eurer Anwesenheit beehren?«
    »Eine ausgesprochen eindrucksvolle Rede«, flüsterte Fischmehl.
    »Ich muss diesen ganzen Mist sagen«, flüsterte Smotay zurück, »sonst kommt der große römische Schnösel nicht heraus. Er hält viel von sich – schon seit seiner Ankunft hier. Ihr seid nicht die ersten unhöflichen Elefanten, die hierher gekommen sind, wisst ihr.«
    Einige Sekunden lang geschah nichts. Dann erhob sich ein ehrfürchtiges Gemurmel am hinteren Ende der Halle. Es schwoll immer stärker an, und eine Plattform wuchs tief unter ihnen langsam aus dem Höhlenboden. Der Chor wurde zu einer Kakofonie von Jubelrufen und Freudengeschrei, während die Plattform, die eine einzelne Gestalt trug, höher und höher stieg. Schließlich kam sie auf gleicher Höhe mit der Balustrade der Gefährten, etwa zwölf Meter vor ihnen, zum Stehen.
    Fischmehl und Hammurabi wechselten einen erstaunten Blick. Der große, majestätische Mann, der vor ihnen stand, war attraktiv, jung und nicht im Mindesten tot. Außerdem war er von Kopf bis Fuß mit Gold überzogen.
    »Nun, Smoot«, sagte der goldene Mann grimmig, »was hast du mir mitgebracht? Eine Opfergabe? Neue Anhänger? Vielleicht ein…« Er hielt inne, als seine Augen auf den Kopf des Skalden fielen. »Ist das ein Scherz, Smoot?«, fragte er kalt und seine Augen verengten sich. »Wenn es einer sein soll, dann kann ich nicht darüber lachen.«
    »Es ist kein Scherz, Lucius«, sagte Wasily selbstgefällig, da es ihm gelungen war, den Mann aus der Fassung zu bringen - wenn auch nur für einen Augenblick. »Als ich dir das letzte Mal begegnet bin, hast du mich eingeladen, zum Abendessen vorbeizukommen, sollte ich wieder einmal in der Gegend sein.«
    »Hah!«, schnaubte Lucius, der sich ohne weiteres mit der Existenz eines sprechenden Kopfes abzufinden schien. »Wenn ich mich recht entsinne, lauteten meine genauen Worte, dass ich dir – sollte ich dir jemals wieder begegnen – das schlagende Herz aus der Brust reißen und es dir zum Frühstück vorsetzen werde.«
    »Wie du sehen kannst«, sagte Wasily, »habe ich nichts mitgebracht – nicht einmal mich selbst. Ich bin also auf deine Gastfreundschaft angewiesen.«
    »In der Tat«, sagte Lucius. »Was immer in der Vergangenheit geschehen sein mag, du bist ein Erlkönig wie ich und warst einmal mein Freund. Tritt also ein und sei mir willkommen – für den Augenblick.«
    »Ist dir aufgefallen, dass ein jeder von Wasilys Freunden ihn umbringen will?«, flüsterte Ham Fischmehl zu, der ein wenig besorgt nickte.
    »Und wer ist das?«, fuhr Lucius fort. »Noch mehr Schafe für die Schlachtbank, Bra-…«
    »Wasily«, unterbrach ihn der Skalde. »Ich heiße jetzt Wasily.«
    »Tatsächlich?«, sagte Lucius. »Und diese jungen Hüpfer?«
    »Meine Gefährten Fischmehl und Hammurabi.«
    »Hammurabi, was? Ein bisschen zu weit vom Osten entfernt, und um etwa viertausend Jahre gealtert, oder?«
    »Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, Sir.«
    »Ignorier ihn einfach«, sagte Wasily. »Er macht gerne kleine Scherze.«
    »Mich ignorieren, was, Wasily? Vielleicht sollte ich einfach gehen.«
    »Oh, jetzt habt ihr es geschafft«, jammerte Smotay. »Ihr habt ihn verärgert. Jetzt werde ich nie das Ende erfahren.«
    »Eigentlich sind wir hergekommen, weil wir deine Hilfe brauchen, Lucius«, sagte Wasily. »Wenn es dir nichts ausmacht.«
    Der goldene König blickte den Skalden lange an. Sein Gesichtsausdruck blieb undurchschaubar. Dann sagte er: »Natürlich nicht. Warum sollte ich mich weigern, meinem guten Freund, dem Geschichtenerzähler, in einer Zeit der Not zu helfen?«
    Ham beugte sich nah an Fischmehl heran und flüsterte ihm ins Ohr: »Mir gefällt sein Tonfall nicht – irgendetwas stimmt hier nicht.«
    Fisch nickte. »Du hast

Weitere Kostenlose Bücher