Der Zeitspieler
manchen Stellen reichte der dichte Wald bis fast unmittelbar an die Klippen, gegen die Wellen brandeten.
Lela fischte die winzigen Kreaturen mit einem Netz heraus und warf sie auf einen Haufen. Cargill hatte die Aufgabe, mit bloßen Händen die brauchbaren von den unbrauchbaren zu sortieren und letztere ins Wasser zurückzuwerfen. Da er keinerlei Erfahrung damit hatte und die wenigsten kannte, mußte Lela sie ihm immer zeigen. War der Eimer mit den eßbaren voll, brachte sie ihn in das Schiff und kehrte mit dem gleichen oder einem anderen leeren zurück.
Das Mädchen befand sich offensichtlich in bester Stimmung. Im Widerschein des Lichts glänzten ihre Augen vor Erregung, ihr Gesicht war gerötet, die Lippen leicht geöffnet und die Nasenflügel zitterten. Fast jedesmal, wenn ihr Vater außer Hörweite war, rief sie Cargill zu: »Macht das nicht Spaß? Ist das nicht ein herrliches Leben?«
»Ja, großartig«, versicherte er ihr. Einmal fügte er hinzu: »So etwas habe ich noch nie erlebt.«
Sie freute sich wie ein Kind darüber, und gelogen hatte er ja auch nicht. Das Leben in der freien Natur hatte viel zu bieten. Aber sie schien sich nie darüber Gedanken gemacht zu haben, daß wirklich zu leben mehr einschloß, als in den Tag hineinzuleben und die Natur zu genießen. Das Leben in der Zivilisation hatte viele Seiten, nicht nur eine. Cargill machte sich darüber Gedanken, daß er sich möglicherweise mit dieser Art von Dasein abfinden mußte. Und vielleicht war es ganz gut, wenn er es tat. Hier in dieser menschenleeren Weite konnte er sich vermutlich für den Rest seines Lebens ungestört zurückziehen. Was das jedoch an Langeweile und Unbefriedigtsein mit sich bringen mochte, darüber dachte er lieber nicht nach. Im Augenblick jedenfalls erschreckte ihn die Aussicht auf ein solches Leben.
Mitternacht war lange vorbei, als sie endlich mit reicher Ausbeute zurückkehrten und er sich in seine Koje zurückziehen durfte, wo er weiter seinen Gedanken nachhing.
Lelas Benehmen war äußerst aufschlußreich gewesen. Sie hatte sich immer wieder an ihn gewandt, hatte sich bemüht, ihm das Leben der Schweber so schmackhaft wie nur möglich zu machen. Das alles zusammengenommen und seine Erfahrung mit Frauen verriet ihm, daß sie sich einsam fühlte. Ob sie so weit gehen würde, mit ihm ins Bett zu steigen, oder auf welche Art sie sich die Vertreibung ihrer Einsamkeit vorstellte, hing wohl hauptsächlich von ihrer Erziehung ab. Ihrem ganzen Wesen nach schien sie ihm ziemlich prüde zu sein. Aber noch war er nicht soweit, das nicht übermäßig kluge Mädchen zu hofieren und sie dazu zu bringen, ihre Hemmungen zu überwinden.
Am nächsten Tag kam sie Dutzende Male in seinen Teil des Schwebers. Cargill, der vergeblich versucht hatte, hinter das Geheimnis des Schließmechanismus der Maschinenraumtür zu kommen, fragte sie schließlich danach. Ohne Zögern zeigte sie ihm, wie sie sich öffnen ließ. Es war ganz einfach, man brauchte lediglich auf den Türrahmen an der linken und rechten Seite gleichzeitig zu drücken.
Als sie wieder gegangen war, betrat Cargill sofort den Maschinenraum. Er sah sich interessiert um, aber viel ließ sich aus dem Gesehenen nicht erfahren. Der Antrieb befand sich in einem fugenlosen Gehäuse, das sich weder auf Druck noch Schub öffnete. Was jedoch unter seinen tastenden Fingern nachgab, war eine Bodenplatte. Sie glitt seitwärts in die Metallhülle und gab den Blick auf die unten vorüberhuschende Welt frei.
Sie flogen über eine Wildnis hinweg, doch eine Wildnis ungewöhnlicher Art. So weit das Auge reichte, gab es Bäume und Buschwerk, ein Land, das auf den ersten Blick von Menschenhand unberührt schien. Doch aus dem wuchernden Unkraut und den wilden Wäldern ragten hier und da Häuser heraus. Selbst aus einer Höhe von etwa fünfhundert Metern sah Cargill, daß sie unbewohnt waren. Die Ziegel ehemaliger Schornsteine lagen zerfallen auf den eingebrochenen Dächern. Fenster gähnten leer oder mit ausgezackten Scheiben. Scheunen stützten sich windschief gegen die sie umgebenden Bäume. Und immer öfter sah er völlig zerfallene Gebäude, deren Trümmer verstreut herumlagen.
Anfangs waren es hauptsächlich Bauernhäuser, Ställe und Scheunen gewesen, über deren Ruinen das Schiff hinwegschwebte, doch jetzt überquerten sie eine ehemalige Stadt. Hier war der Eindruck der Verlassenheit und Trostlosigkeit viel ärger. Aus dem aufgebrochenen Pflaster wuchs Unkraut und überwucherte die Gärten
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