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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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möglich, daß man wieder aufwachte, weil einem die Luft fehlte. Die in jeder Größe weit aufgerissenen Fenster brachten keine Abkühlung und keinen Durchzug.
      Eines Nachts, als es ihm endlich gelungen war einzuschlafen, hörte er, wie Mamà ihn ganz leise vom großen Bett aus rief: »Michilino!«
      Wer weiß warum, aber er antwortete nicht. Vielleicht wegen der großen Mühe, die er hatte, in Schlaf zu fallen.
    »Michilino, was ist? Schläfst du?« fragte Mamà wieder.
      Er hatte überhaupt keine Lust, den Mund aufzumachen. Damit seine Mutter ihn nicht weiter rief, stellte er auf lange, regelmäßige Atemzüge um, so als läge er in tiefstem Schlaf.
      »Siehst du denn nicht, daß er schläft?« sagte sein Vater nun ebenfalls mit leiser Stimme.
      Keine fünf Minuten waren vergangen, da begann das Bett sich zu bewegen und Geräusche zu machen. Mamà seufzte und sagte: »Langsam, Giugiù, langsam.«
      Was taten sie nur? Die Neugier war zu groß, er machte die Augen auf. Zuerst konnte er nichts sehen, das Lämpchen unterhalb der Jungfrau Maria war zu schwach.
    Da waren auf dem Bett zwei verschwommene Schatten, die sich bewegten. Ganz allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Papà und Mamà waren nackt, Papà oben und Mamà unten, und Papà gab der Mamà ganz feste Stöße aus dem Bauch, und zwar so fest, daß Mamà anfing zu klagen und sagte: »Oh! Oh! Jesus! Jesus! Oh!«
      Dann hörte alles schlagartig auf. Papà streckte sich neben Mamà aus, drehte sich auf die Seite, kehrte ihr den Rücken zu und fing fast auf der Stelle an zu schnarchen.
      Zwei Nächte später fragte Mamà wieder: »Michilino, schläfst du?«
      Der Kleine antwortete nicht, entschlossen, die ganze Sache von Anfang an zu beobachten. Nur daß diesmal, als er die Augen aufmachte, sich die Szene anders darstellte. Mamà hatte ganz sicher versucht wegzulaufen, aber Papà war es gelungen, sie bei den Beinen zu packen und sie nach vorne fallen zu lassen, denn jetzt kniete Mamà und hatte ihr Gesicht im Kissen vergraben. Auch Papà kniete, aber hinter ihr. Er hielt sie mit den Händen an der Hüfte fest und versetzte ihr die schon bekannten gewaltigen Bauchstöße. Mamàs Klagen wurden im Kissen erstickt, aber sie mußte wohl sehr leiden, denn sie sagte nicht mehr »oh! oh!«, sondern, die Arme, »au! au!« Das Kopfende hämmerte ständig an die Wand. Die Angelegenheit dauerte so lange, daß Michilino schließlich nicht mehr in der Lage war zu sehen, wie sie zu Ende ging, ein bleierner Schlaf kam unerwartet über ihn.
    In der Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten September konnte Michilino keinen Schlaf finden. Denn am nächsten Tag war sein erster Schultag. Mamà hatte ihm einen Tornister gekauft, in den sie das Tintenfaß, den Federhalter, das ABCBuch, ein Heft mit Kästchen und ein Heft mit Linien gesteckt hatte. Das Salamibrötchen war bereits gemacht und lag im Eisschrank. Mamà hatte ihm ans Herz gelegt zu schlafen, er sollte frisch wie eine Rose sein, sie würde ihn um halb acht wecken. Doch kaum war er eingeschlafen, wurde er vom Gequietsche des großen Bettes geweckt. Er machte die Augen auf und wurde von unendlicher Zufriedenheit erfüllt. Mamà saß auf Papàs Bauch, und diesmal war sie es, die die Stöße austeilte, sie erhob sich und setzte sich, erhob sich und setzte sich, und Papà, der die Hände auf ihre Brüste gelegt hatte, versuchte vergebens, sie nach hinten zu drücken. Doch seine Kraft reichte nicht aus, Mamà schien eine richtige Reiterin geworden zu sein, wie die, die er im Reitverein gesehen hatte, dem Pferd, seinem Papà, gelang es nicht, sie abzuwerfen. Endlich siegte Mamà! Ihr war es gelungen, Papà zu überwältigen und ihn für die Sünde zahlen zu lassen, daß er mit der Magd Gersumina unanständige Dinge getan hatte. Und wenn der Herr Jesus diese Szene gesehen hatte, würde er ganz sicher Freude darüber empfinden. Davon war Michilino auf der Stelle und felsenfest überzeugt, er hatte die Erklärung dafür bekommen, was in der Nacht vorgefallen war: Manchmal kämpften Papà und Mamà einfach miteinander. Ein gnadenloser Kampf, der ihre ganze Kraft abverlangte. Oft war Papà der Sieger, denn er war ein Mann und daher stärker. Doch manchmal gelang es Mamà, ihn zu überwältigen, mit dem Rücken auf dem Boden, und ihn für alle Sünden bezahlen zu lassen, und das nicht zu knapp.

Zwei

    Die Grundschule stand fast auf der Hafenmole. Michilino war gut angezogen, der Riemen

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