Der zerbrochene Himmel
Bevölkerung ihm folgte und den Feind in die Flucht schlug. Doch diese Geschichte kannte Michilino bereits, und daher drehte er sich hin und wieder zur letzten Bank um, in der Alfio Maraventano saß, der die Stirn auf die Bank gelegt hatte.
»Papà, was bedeutet das Wort Kommunist?«
Sie saßen beim Essen, und Michilinos Frage ließ Papà und
Mamà, die sich anblickten, zusammenfahren.
»Wer hat dir dieses Wort beigebracht?« fragte Papà.
»Niemand. Der Lehrer, Signor Panseca, sagte das zu Signor Malaventano.«
»Ah!« sagte Papà. »Malaventanos Sohn ist in deiner Klasse?«
»Ja, Papà.«
»Erzähl mir, was passiert ist.«
Michilino erzählte es ihm.
»Unter gar keinen Umständen darfst du dich mit diesem Winzlingsgenossen Alfio Maraventano einlassen, du darfst nicht einmal mit ihm reden. Versprochen?«
»Ja, Papà«, antwortete Michilino. »Aber was bedeutet denn nun Kommunist?«
»Kommunisten sind ziemlich verkommene Menschen. Und ich versteh nicht, wieso man den Kindern von Kommunisten erlaubt, zusammen mit den Kindern anständiger Leute in die Schule zu gehen.«
»Papà, sind die Kommunisten denn schlimmer als die Bessinier?«
»Schlimmer, denn die Abessinier sind wenigstens Wilde und Schwarze, dagegen sind die Kommunisten Leute, die aussehen wie wir, in Wirklichkeit aber sind sie ganz anders. Sie glauben nicht an Gott, nicht an die Jungfrau Maria, nicht an Jesus, sie glauben nicht ans Vaterland, sie beleidigen den König und Mussolini, und sie würden uns Faschisten am liebsten alle tot sehen, aufgehängt an Laternenpfählen.«
»Und sie wollen auch die freie Liebe«, sagte Mamà mit einem Seufzer.
Papà ärgerte sich.
»Wieso erzählst du dem Kleinen so was? Was fällt dir nur ein? Der versteht so was doch überhaupt nicht.«
»Wenn ihr's mir erklärt, versteh ich's«, sagte Michilino.
»Laß es gut sein. Wenn du groß bist, erklär ich's dir. Jedenfalls sollst du wissen, daß es bei uns im Ort vier oder fünf von diesen Kommunisten gibt und daß Totò Maraventano, der Schneider, der schlimmste von allen ist. Es vergeht kein Monat, wo man ihn nicht ins Gefängnis steckt. Der ist ein Saufbruder und Galgenvogel und ein Hungerleider, der keine Lust hat zu arbeiten, sondern immer nur über unseren geliebten Benito Mussolini herzuziehen.«
Michilino sagte lange Zeit nichts. Erst später, als Papà seinen Mokka trank, machte er wieder den Mund auf.
»Wieso bringt ihr ihn denn nicht um?«
»Wen?« fragte Papà entsetzt.
»Totò Maraventano. Wenn du sagst, daß er euch am liebsten an Laternenpfählen hängen sehen würde, ist es dann nicht besser, sich das vorher zu überlegen und lieber ihn umzubringen?«
»Das hätte er allerdings verdient«, antwortete Papà. »Von Zeit zu Zeit wird er krankenhausreif geprügelt. Nach ein paar Wochen erholt er sich wieder und wird dann noch frecher als vorher. Unkraut vergeht eben nicht. Aber früher oder später trampelt er irgendwem gewaltig auf den Eiern rum und …«
»Also, sag doch bitte nicht so etwas Unanständiges«, hielt Mamà ihm vor.
»Was sind denn die Eier?«
»Da hast du's!« sagte Mamà verärgert zu Papà.
»Die Eier, die ich meine, befinden sich in dem Säckchen, das du unter dem Vögelchen hast«, erklärte Papà.
»Wie kann man denn auf denen rumtrampeln?«
»Das verstehst du, wenn du größer bist.«
Wieso war die Antwort immer die gleiche? Wenn du größer bist! Wie lange braucht ein Junge, bis er größer geworden ist? Am zweiten Schultag sprach Signor Panseca, der Lehrer, über Benito Mussolini. Er erzählte, daß er in armen Verhältnissen geboren worden war, als Sohn eines Schmieds, daß er im Großen Krieg als Gefreiter mitgekämpft hatte und verwundet worden war.
Er erklärte die Geschichte des Faschismus und den Marsch auf Rom. Er sagte, daß uns alle Länder der Erde um einen Mann wie Benito Mussolini beneideten und daß dieser von der Vorsehung gesandte Mann sehr bald schon Krieg gegen die Abessinier führen werde, daß er ihn gewinnen und Italien, das nun ein Königreich war, zu einem Kaiserreich machen werde. Danach brachte er ihnen die Hymne der Balillajungen bei, die alle im Chor mitsingen mußten:
Fischia il sasso, il nome squilla Del ragazzo di Portoria E l'intrepido Balilla Sta gigante nella storia …
Es pfeift der Stein, der Name gellt
Des Jungen von Portoria
Und furchtlos der Baliila steht
Gigantengleich in der Geschichte …
Am dritten
Weitere Kostenlose Bücher