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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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auch diese Unordnung. Aber du darfst diesen Dingen keine Beachtung schenken.«
      Gorgerino kam wieder zurück, in Krawatte und Jackett. Er war um die Fünfzig, ziemlich korpulent, von fuchsigem Haar. Unverzüglich fing er an zu reden.
      »Signora, ich sage auch Ihnen noch einmal das, was ich Giugiù bereits gesagt habe. Ich gebe nicht gerne Privatunterricht. Die wenigen Male, wo ich's getan habe, wurden meine Schüler versetzt. Aber ich habe meine eigene Methode, die nicht zur Diskussion steht, vielen mag sie seltsam erscheinen. Ich ertrage keine Einmischungen seitens der Familien. Wenn Sie diese Bedingungen akzeptieren, habe ich nichts dagegen, Michilino Privatunterricht zu erteilen.«
    »Wenn Giugiù einverstanden ist, bin ich es auch.«
    Der Professore stand auf und Mamà ebenfalls.
      »Ich begleite Sie«, sagte Gorgerino. »Holen Sie Ihren Sohn in zwei Stunden wieder ab. Aber besser wäre es, wenn er von morgen an alleine kommen würde.«
    Als er wieder ins Arbeitszimmer zurückkam, blieb er stehen und sah Michilino an, der in einem Sessel saß. Dann sagte er: »Steh auf.«
      Michilino gehorchte. Professore Gorgerino sah ihn schweigend an. Dann fragte er: »Was hast du da in der Hosentasche?«
    »Nichts.«
      Gorgerino beugte sich nach vorn, mit der Hand strich er ihm zweimal über das Vögelchen zwischen den Beinen, um genauer zu verstehen, was er da berührte.
    »Heiliger Schwanz!« sagte er mit halblauter Stimme.
      Doch Michilino hatte es gehört. Gorgerino hatte ein schlimmes Wort gesagt, das man auf gar keinen Fall aussprechen durfte, weil sonst der Herr Jesus neues Leid ertragen mußte. Ob der Professore auch fluchte wie ein Karrenkutscher oder ein Tagelöhner? Und dann: Warum nur wunderten sich alle über sein Vögelchen?
      »Setz dich, Michilino. Bei diesem ersten Unterricht und bei allen Unterrichtsstunden, die noch folgen werden, werde ich dir etwas über die Spartaner erzählen. Weißt du, wer sie waren? Du weißt es nicht? Sie waren die Faschisten im alten Griechenland. Aber zuerst machen wir zehn Liegestützen«, sagte Professore Gorgerino abschließend und zog das Jackett aus. »Gehen wir in die Diele, da ist mehr Platz. So beginne ich immer den Unterricht, mindestens zehn Liegestützen. Du weißt nicht, was das ist? Nicht wichtig. Mach's mir einfach nach.«

    Am nächsten Tag verließ er die Wohnung mit geschultertem Karabiner, es war das erste Mal, daß Mamà ihn alleine fortließ, und Michilino, der sich nun dazu bestimmt fühlte, groß zu werden, ging mit stolzgeschwellter Brust.
    Als Gorgerino ihn mit dem Karabiner bei sich zu Hause auftauchen sah, umarmte er ihn: »Tüchtig, mein Balillajunge, Mussolini wird zufrieden mit dir sein!«
      Dann sah er den Karabiner an, nahm das Bajonett hoch und strich mit dem Finger über die Schneide.
    »Hast du die Spitze gemacht und die Klinge geschliffen?«
    »Ja.«
      »Wenn du echte Waffen magst, dann komm mal mit. Aber, Achtung, das ist ein Geheimnis, darüber darfst du mit niemandem sprechen. Schwör's auf römische Art.«
      Michilino streckte den rechten Arm vor und sagte: »Ich schwöre.«
      Sie gingen in ein mit einem Schlüssel abgesperrtes Zimmer. Michilino erstaunte. An den Wänden befanden sich Gewehre, Musketen, Karabiner aller Art, Herstellung und Epochen. Dann waren da noch zwei Vitrinenschränke mit vier Einlegeböden, und jeder war dicht voll mit Pistolen und Revolvern.
    »Und sie sind alle perfekt in Schuß«, sagte Gorgerino.
    Michilino konnte nicht mehr an sich halten.
    »Bringen Sie mir bei, wie man schießt?«
      Professore Gorgerino hockte sich vor Michilino hin und sah ihm in die Augen.
    »Und gibst du mir dafür hin und wieder deine Pistole?«
      »Ich hab' keine Pistole. Ich hab' den Revolver von Buffalo Bill.«
      Gorgerino lachte und sah ihn weiterhin fest mit seinen blauen Augen an.
    »Ich meinte die Pistole hier.«
    Und legte die Hand auf das Vögelchen.
      »Abgemacht?« fragte Gorgerino, ohne seinen Blick auch nur eine Sekunde abzuwenden.
    »Ja.«
    »Gehen wir in die Diele für die Liegestützen«, sagte Professore Gorgerino und stand wieder auf. »Und danach werde ich dir weiter über die Spartaner erzählen.«

    Am dritten Unterrichtstag empfing Gorgerino ihn im Morgenmantel und in Pantoffeln. Er brachte ihn ins Waffenzimmer und nahm eine Pistole in die Hand.
      »Das ist eine Beretta«, sagte er. »Und jetzt zeige ich dir, wie sie funktioniert. Fangen wir beim Magazin

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