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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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durcheinander, verwirrt.
    »Da hast du recht. Geh nur, geh.«
    Michilino ging in die Kirche und kniete vor dem Gekreuzigten nieder. Er erzählte ihm die Sache mit der Unterlassung. Kann es eine Sünde sein, wenn man etwas tut, von dem man nicht weiß, daß es eine Sünde ist? Der liebe Herr Jesus senkte für den Bruchteil einer Sekunde seinen Blick zu ihm hernieder, und bebend spürte Michilino in seinem Gehirn eine Stimme widerhallen.
    »Nein.«

    Am Abend vor der Firmung fand die allgemeine Beichte statt. Als die Reihe an ihm war, blieb Michilino, statt zum Beichtstuhl zu gehen, wo Monsignor Miccicchè auf ihn wartete, sitzen.
    »Du bist dran«, rief ihm ein Kamerad zu.
    »Bei dem da beichte ich nicht.«
      Der, der ihn gerufen hatte, ging zum Beichtstuhl und erzählte die Sache dem Monsignore. Der stand auf, kam heraus und ging zu Michilino. Alle Kameraden blickten still hinüber.
    »Steh auf, wenn du mit einem Vorgesetzten redest!«
    Michilino erhob sich widerwillig und langsam.
    »Stimmt es, daß du nicht beichten willst?«
    »Ich will beichten, aber nicht bei Ihnen, Hochwürden.«
    »Warum nicht bei mir?«
    »Hochwürden weiß, warum.«
      Monsignor Miccicchè machte zuerst ein fragendes Gesicht, danach wurde er zur lachenden Hyäne.
      »Wegen dieser völlig haltlosen Geschichte von der Tötung des Kommunisten?«
    »Jawohl.«
    »Mach, was du willst.«
      Als er zum Beichtstuhl zurückging, sagte er zu einem Balilla: »Geh in die Sakristei und ruf Padre Burruano her.«
    Der Pfarrer kam nach einer kurzen Weile.
    »Michilino, was ist los? Warum willst du nicht bei
    Monsignore beichten?«
      »Hochwürden, Sie wissen es. Sie waren es, Hochwürden, der mir erzählt hat, was Monsignor Miccicchè Ihnen gesagt hat wegen der Tötung des …«
      Padre Burruano unterbrach ihn, er hatte sich sogleich an die Sache erinnert.
      »Einverstanden, lassen wir Monsignore außen vor, und du beichtest bei mir.«
    »Nein, auch nicht bei Ihnen, Hochwürden.«
      »Kleiner, schau, ich gehe nicht hinaus und erzähle jedem Schwein und jedem Hund, was man mir im Beichtstuhl anvertraut«, sagte der Pfarrer verärgert.
      »Das weiß ich. Aber Hochwürden ist zu sehr unserem Haus verbunden.«
    Padre Burruano unterbrach ihn erneut rasch.
      »Bist du einverstanden, wenn ich Padre Jacolino für dich rufe? Bei ihm, glaube ich, hast du schon gebeichtet.«
    »Mit Padre Jacolino bin ich einverstanden.«
    Während er auf das Eintreffen von Padre Jacolino wartete, ließ er sich alles noch einmal genau durch den Kopf gehen. Nein, die Sache mit der Firmung überzeugte ihn nicht. Er wollte aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele ein Soldat Christi und des Duce werden, aber wenn einem dann so ein Kommandant wie Monsignor Miccicchè dazwischenkommt, was macht man dann? Wie löst du das Problem? An diesem Punkt fiel ihm die Geschichte mit der Kolonne Maletti ein, die er im Radio gehört und Papà ihm erklärt hatte. Dieser Capitano Maletti hatte in Bissinien eine große Patrouille aus bissinischen Soldaten gebildet, die nicht dem Befehl des Negus unterstanden, weil sie bissinische Faschisten waren. Sie wurden als »Irreguläre« bezeichnet, weil sie Befehle nur von Capitano Maletti entgegennahmen, der seinerseits Befehle von niemandem entgegennahm. Sie agierten überraschend, sie mischten sich unter den Feind und hinter den Feind, sie bestürmten ihn, wenn er es am wenigsten vermutete, sie drängten von überall heran, keiner wußte, wo sie sich befanden und was sie tun würden. Also, wenn er die Firmung erhielt, würde er selbstverständlich ein Soldat Christi und des Duce werden, doch ein unregulärer, einer, der nach eigenem Gutdünken handelte.

    Die Rede, die der Bischof Vaccaluzzo hielt, der eigens aus Montelusa heruntergekommen war, um die Kinder von Vigàta zu firmen, versetzte Michilino in höchstes Erstaunen, zunächst wegen der Stimme, die er hatte, und es fehlte nur wenig, dann wäre sie identisch mit der von Mussolini gewesen, und zweitens wegen der Worte, die er sagte. Und als durch das Kirchenschiff der Satz hallte: »Bewahret eure Reinheit! Bewahret sie vor jeglicher Versuchung! Sie ist wie der Fels, auf dem euer Glaube als Soldaten Jesu fest verankert ist«, konnte Michilino nicht mehr länger an sich halten und weinte sehr.

Sechs

    Ein paar Tage nach der Firmung kam Papà zur Essenszeit düster und schweigsam nach Hause. Weder begrüßte er Mamà noch Michilino, wie er es sonst tat. Mamà sah ihn besorgt an.
    »Was

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