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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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wußte der liebe Herr Jesus ja die Wahrheit.
      Eine halbe Stunde war vergangen, seit Michilino das Glas Wein hinuntergekippt hatte, da wurden seine Augen auf einmal ganz klein, seine Augenlider waren halb zugefallen.
    »Ich bin müde geworden.«
    »Leg dich schlafen«, sagte Mamà.
      Michilino stand auf und holte sich Mamàs Kuß auf die Stirn, dann stellte er sich neben Padre Burruano, der ihm die Hand hinhielt, Michilino küßte sie und machte eine halbe Kniebeuge.
    »Alles Gute und sei gesegnet, mein Sohn.«
    Der geistliche Mann war allerdings einem Irrtum erlegen. Er hatte gedacht, Michilino würde nach dem Wein durchschlafen, doch der Junge wachte gegen drei Uhr in der Frühe auf, weil er unbedingt Pipì machen mußte. Schlaftrunken ging er ins Bad, und erst als er ins Zimmer zurückkehrte, merkte er, daß Mamà noch nicht schlafen gekommen war. Das Bett war unberührt. Auf leisen Sohlen ging er in den Eingang: Der Hut des Pfarrers lag noch immer auf der Hutablage. Er machte Licht im Eßzimmer, doch da war niemand, auf dem Tisch standen allerdings schmutzige Teller und leere Flaschen. Dann bemerkte er, daß unter der Tür zum Wohnzimmer ein Lichtschein herkam, Zeichen dafür, daß der Pfarrer und Mamà sich in diesem Zimmer aufhielten. Regungslos hinter der Tür, hörte er, daß Padre Burruano und Mamà intensiv und leise miteinander redeten, hin und wieder hörte man das Geräusch eines Kusses. Sicher beichtete Mamà gerade und küßte die Hand des Pfarrers zum Zeichen der Reue ihrer Sünden. Er wollte nicht stören und ging wieder schlafen.
      In der letzten Zusammenkunft vor der Firmung sprach Monsignor Miccicchè über eine Sünde, von der Michilino noch nie gehört hatte und die sich auch nicht in den Zehn Geboten fand.
      »Was bedeutet Unterlassung? Unterlassung bedeutet, wenn jemand etwas nicht sagt, was er aber verpflichtet ist zu sagen. Habe ich mich deutlich erklärt? Es ist nicht die Lüge, mit der man etwas anderes sagt als die Wahrheit, auch etwas völlig frei Erfundenes. Die Unterlassung ist, daß man einem bestimmten Menschen etwas nicht sagt, was aber hätte gesagt werden müssen. Und das ist eine schwere Sünde für einen Soldaten Christi und des Duce, wobei ebendieser Soldat die Pflicht hat, die Dinge so zu sagen, wie sie sind, und zwar ohne Rücksichtnahme. Und wieso hat er die Pflicht, die Dinge immer so zu sagen, wie sie sind? Weil die Unterlassung ein Mangel an Loyalität gegenüber den Kameraden ist und eigentlich auch gegenüber Jesus und dem Duce.«
      Michilino hörte ihm nicht mehr zu. Heilige Muttergottes! Bei Monsignor Miccicchè hatte er nicht die Unterlassungssünde gebeichtet, die er Mamà gegenüber begangen hatte, als er ihr nicht gesagt hatte, daß Signorina Pancucci, die Lehrerin, keinen Unterricht gab und er trotzdem das Haus verlassen hatte. Und daher hatte er sich auch der Gotteslästerung schuldig gemacht, indem er die Kommunion empfing, ohne seine Seele völlig befreit zu haben, die, bevor sie den Herrn Jesus empfängt, weißer sein muß als ein eben gewaschenes Bettuch!
    Doch gleich nach der ersten Angst spürte Michilino, wie er von einer Verwirrung erfaßt wurde. Wie konnte Monsignor Miccicchè nur von Loyalität reden, wo er doch selber nicht loyal gewesen ist und Padre Burruano erzählt hat, was er ihm bei der Beichte gesagt hatte? Ein Anführer, ein Kommandeur, wie Monsignor Miccicchè einer war, mußte doch als erster ein Beispiel für Loyalität und selbst immer loyal sein, doch da sieh ihn sich einer an, wie es ihm Spaß macht, zu reden und zu reden. Lauter Gefasel! Ja, lauter Gefasel! Denn wenn einer eine Sache sagt und dann etwas anderes tut, bedeutet das, daß er herumfaselt. Er konnte sich nicht mehr länger zurückhalten, er stand auf und hob den Arm. Monsignor Miccicchè und die Kameraden sahen ihn verblüfft an.
      »Ich habe es nicht gerne, wenn man mich unterbricht. Was willst du?«
    »Ich melde mich zum Rapport.«
    »Bei mir? Warte, bis ich mit dieser …«
      »Nein, ich will mich zum Rapport bei einem Ihrer Vorgesetzten melden.«
    Monsignor Miccicchè stellte sein Hyänenlachen zur Schau.
    »Ich habe keine Vorgesetzten hier.«
    »Es gibt sie aber doch.«
    »Der Bischof ist in Montelusa.«
    »Ihr Vorgesetzter ist hier.«
    »Und der ist?«
    »Jesus.«
    Monsignor Miccicchè sah ihn mit einem Mameluckenblick an.
      »Du willst dich bei Jesus zum Rapport melden? Und wie machst du das?«
    »Indem ich bete.«
    Monsignor Miccicchè wirkte

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