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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Lehrerin, »Michilino ist tüchtig, lernt eifrig, er ist diszipliniert und intelligent. Er begreift die Dinge schneller als andere.«
      »Aber warum wird das für Sie dann zu einer Gewissensangelegenheit?«
      »Erinnern Sie sich, daß ich Ihnen sagte, als Sie mich baten, Ihrem Sohn Unterricht zu erteilen, daß Michilino einen Mitschüler hätte, Totò Prestipino?«
    »Gewiß, ich erinnere mich.«
      »Nun müssen Sie wissen, daß Prestipino sehr langsam beim Lernen ist, ich muß ihm alles doppelt und dreifach erklären, bevor er etwas begreift, wenigstens bei manchen Dingen.«
    »Und was hat mein Sohn damit zu tun?«
      »Daß ich mit Ihrem Sohn wegen des Prestipino nicht das Programm durcharbeiten kann, das ich schaffen muß. Michilino könnte rennen, aber er ist gezwungen, im Schneckentempo vorwärtszugehen.«
    »Und nun?«
      »Es gibt nur zwei Lösungen. Entweder bringen Sie Michilino zu einer anderen Lehrerin, oder Sie gestatten mir, Ihrem Sohn Einzelunterricht zu geben.«
    »Wieso wollen Sie dazu mein Einverständnis?«
    »Weil der Einzelunterricht teurer ist.«
    »Ah«, sagte Mamà.
      Michilino sah sich verloren. Wenn er die Lehrerin wechselte, wo sollte er dann sein Gewehr verstecken?
    »Ich mag Signorina Pancucci.«
    Mamà lächelte und die Lehrerin auch.
    »Einverstanden«, sagte Mamà.

    Am Mittwoch wollte Monsignor Miccicchè, statt über die Pflichten und Schuldigkeiten eines Soldaten Christi und des Duce zu reden, daß alle auf der Stelle bei ihm beichteten.
      »So lerne ich euch besser kennen und kann eure Berufung besser einschätzen lernen.«
    Er ging in die Kirche und verschwand in einem Beichtstuhl.
    »In alphabetischer Reihenfolge!« befahl er.
      Während Michilino wartete, daß er an die Reihe kam, kniete er sich vor dem Gekreuzigten nieder. Diesmal hatte er nichts zu erzählen, was den lieben Herrn Jesus zum Lachen hätte bringen können, um ihm ein ganz klein wenig den furchtbaren Schmerz zu lindern, der ihm ins Gesicht gezeichnet war. Was blieb, war zu beten. Und das tat er und versenkte sich ins Gebet wie in einen tiefen Brunnen voll dunklen Wassers. Dann legte ein Gefährte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Du bist dran.«
    »Kennst du die Zehn Gebote?«
    »Sicher.«
    »Dann kommen wir gleich auf den Punkt. Wie viele hast du
    übertreten?«
    »Kein einziges.«
      Hinter dem Gitter ließ Monsignor Miccicchè sein besonderes Lachen hören, ein Lachen, von dem er erzählte, daß es haargenau dem der bissinischen Hyäne glich, weshalb er den Schwarzhemden schreckliche Streiche gespielt hätte, wenn sie nachts Wache stehen mußten.
    »Sind wir da auch sicher?«
    »Ganz sicher.«
      »Dann schauen wir doch mal. Hast du falsch Zeugnis geredet?«
    »Nie.«
      »Hast du unkeusche Handlungen begangen, alleine oder mit anderen?«
    »Nein.«
      »Achtung, Balilla, bei der Beichte ist eine Lüge eine Todsünde. Unkeusche Handlungen bedeuten unanständige Dinge. Berührst du dich nachts nie, wenn du im Bett liegst oder wenn du auf der Toilette bist?«
    »Nein.«
      »Hast du gestohlen? Hör zu, auch wenn man nur einen Centesimo nimmt, ist das schon Sünde.«
    »Ich habe noch nie irgend etwas gestohlen.«
      »In Ordnung, das genügt, denn man kann dich in deinem Alter ja nicht fragen, ob du das Weib deines Nächsten begehrt oder ob du getötet hast. Bete zuerst den Schmerzensreichen und dann …«
      »Ich habe getötet. Aber das war keine Sünde«, sagte Michilino.
    Monsignor Miccicchè lachte sein Hyänenlachen.
    »Und wen hast du getötet? Laß mal hören.«
    »Einen Kommunisten.«
    »Und wie hast du ihn getötet?«
    »Durch einen Bajonettstoß.«
      »Und wieso hast du deiner Meinung nach keine Sünde begangen?«
      »Weil es keine Sünde ist, wenn man einen Kommunisten tötet.«
      »Tüchtig, tüchtig«, sagte Monsignor Miccicchè. »Ich meine, ich hätte dich an der Stimme erkannt. Du bist Michilino Sterlini, stimmt's?«
    »Jawohl.«
      »In Ordnung. Ego te absolvo et cetera et cetera. Bete den Schmerzensreichen, fünf Avemarias und fünf Vaterunser.«
      Michilino ging zum Kreuz, kniete sich hin und tat Buße. Er fühlte sich erleichtert, weil ihm insgeheim der Zweifel gekommen war, ob das Töten von jemandem, ob Kommunist oder nicht, eine Todsünde wäre. Doch wenn Monsignor Miccicchè ihm gesagt hatte »Tüchtig, tüchtig!«, bedeutete das ja wohl, daß das Töten eines Kommunisten nicht einmal eine läßliche Sünde war.
    Papà hatte Mamà zu ihrem

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