Der zerbrochene Himmel
Schwarzhemd angezogen war, aber er war ein sprechendes Skelett.
»Du hast meine Verlobte Marietta durchgevögelt!«
Und er gab ihm einen Schlag mit der Faust, der ihn bewußtlos zu Boden stürzen ließ. Als er die Augen wieder aufmachte, standen Menschen dicht um ihn herum, ein Mann kniete und hielt ihm den Kopf.
»Junge, du bist ohnmächtig geworden!«
»Das ist nichts weiter, danke, manchmal passiert mir das.«
Der liebe Herr Jesus erschien ihm zu jeder Stunde des Tages, er gab ihm Ratschläge zu allem und jedem. Im Unterricht war er unaufmerksam und lustlos geworden, er konnte keine Aufgaben mehr machen, Buchstaben und Zahlen schwirrten nur so vor seinen Augen herum. Signorina Pancucci, die Lehrerin, sagte ihm, daß sie mit seinem Vater reden wollte, aber er überbrachte Papà nichts: Nichts zu sagen ist keine Sünde. Scarpin plazierte ihn bei der Samstagsversammlung in Habt-acht-Stellung vor sich und hielt ihm eine Standpauke vor allen anderen, weil er nicht in der Lage war, den Weitsprung zu machen, und in der Kurve fünfmal hingefallen war. Einmal, nach dem Essen, als er gerade vom Unterricht heimgekehrt war, fand er Nonno Filippo zu Hause vor, der, sobald er ihn erblickte, blaß wurde.
»Was ist mit dir, mein Enkelsöhnchen?«
»Nichts.«
»Was heißt nichts? Mariè, merkst du denn nicht, wie dünn Michilino geworden ist? Was ist mit ihm, ist er krank?«
»Nein, er ist nicht krank«, sagte sie mit unbeweglicher Miene. »Mir kommt er auch nicht dünn vor.«
»Ich warte auf Giugiù«, sagte der Nonno, »und rede mit ihm.«
Als Papà kam, umarmte er Nonno Filippo und fragte ihn: »Ist was passiert?«
»Ich hatte Lust, Michilino zu sehen. Und du, wo hast du deine Augen?«
»Wieso?«
»Siehst du denn nicht, wie dünn er ist?«
Papà betrachtete Michilino lange, es war, als würde er ihn zum ersten Mal sehen.
»Ja, wirklich, ein bißchen dünn ist er schon.«
»Ein bißchen?« sagte Nonno Filippo wütend. »Gehen wir in dein Arbeitszimmer, ich muß mit dir reden.«
»Was gibt's denn?«
»Es gibt die Tatsache, daß man im Ort schlecht redet.«
Papà blickte Marietta und Michilino an.
»Gehen wir da hinein.«
Marietta schloß sich in der Küche ein, Michilino blieb im Eßzimmer.
Hin und wieder wurde Papàs Stimme hörbar.
»Meine Scheißangelegenheiten!«
»Ich geb' einen Scheißdreck auf das, was die Leute sagen!«
»Ich kann tun und lassen, was ich will, ich brauche keinem Rechenschaft abzulegen, zum Teufel noch mal!«
Michilino erschauderte und bekreuzigte sich. Der liebe Herr Jesus erschien in diesem Augenblick vor ihm und setzte sich auf einen Stuhl. Er war in ein Tuch gewandet, doch über dem Herzen trug er eine große offene Wunde, in der man das schlagende Herz sah.
»Uns bleibt nur noch wenig Zeit, bevor dein Vater seine Seele für immer in die Hölle schickt«, sagte Jesus. »Wir müssen uns rasch darum kümmern.«
»Was soll ich tun?«
»Das erfährst du zu gegebener Zeit.«
Er verschwand urplötzlich. Michilinos Zittern dagegen wurde immer heftiger. Während die Diskussion zwischen Papà und dem Nonno andauerte, ging er ins Schlafzimmer, öffnete die Schublade der Kommode, in der Mamà das Thermometer aufbewahrte, und maß sein Fieber. Achtunddreißigeinhalb. Dieses Fieber verließ ihn nicht mehr.
Drei Tage darauf hatte Marietta Geburtstag, und zu Mittag aß sie bei sich zu Hause. Michilino ging statt dessen mit Papà ins Restaurant und verschlang Vorspeise, Hauptspeise, Obst und Kuchen, weil er sich sicher fühlte, niemand vergiftete ihm dort sein Essen.
»Und da kommt man und erzählt mir, du würdest nicht essen!« sagte Papà erfreut.
Später, als er die Rechung bezahlte, bestellte Papà das Essen für den Abend, das ein Kellner ihm um neun Uhr nach Hause bringen sollte.
»So bereiten wir ein Fest für Marietta.«
Michilino antwortete nichts. Als er vom Unterricht kam, war Marietta noch nicht zurück, hatte aber den Schlüssel, wie sie es oft machte, in einem Loch neben der Tür versteckt. Er öffnete, trat ein und ging gleich ins Badezimmer: Das große Essen im Restaurant hatte ihm Bauchschmerzen verursacht. Dann kam Marietta zurück, grüßte ihn aber nicht, gab nicht einen Laut. Sie deckte zwar den Tisch, machte sich aber nicht ans Kochen, ganz sicher hatte sie mit Papà gesprochen und wußte daher, daß das Essen aus dem Restaurant gebracht wurde. Papà kam um neun Uhr nach Hause, mit zwei Flaschen:
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