Der zerbrochene Himmel
Soldaten dar, der einen Arm mit einem Dolch in die Luft reckte und mit dem anderen eine Frau mit Kind an seiner Brust schützte. Auf dem vorderen Teil des Marmorsockels waren die Namen der vierzehn Kriegstoten in kupfernen Buchstaben eingelassen. Papà und der Podestà beschlossen, den Namen des Elite-Schwarzhemds Cucurullo Ubaldo auf den rückwärtigen Teil des Sockels zu setzen. Als die Kupferbuchstaben fertig und angebracht waren, wurden sie von einem Tuch verhüllt, das am folgenden Sonntag während einer Feierstunde abgenommen werden sollte, bei der Papà sprach, der ja Politischer Sekretär war. Am festgelegten Tag, morgens um zehn Uhr, war der gesamte Ort vor dem Denkmal versammelt, weil auf der Rückseite nur wenige Menschen Platz hatten. Daher ließen die Schutzmänner nur die Autoritäten nach hinten, und die Zeremonie der Enthüllung sah keiner sonst. Danach kamen der Podestà, der Vater und die Mutter von Balduzzo und der Zenturio Scarpin von hinten nach vorne und stellten sich in die erste Reihe vor das Denkmal. Papà dagegen kam alleine nach vorne und stieg auf eine Tribüne, weil er die Rede halten mußte. Auch Michilino, in seiner Baliila-Uniform, stand in der ersten Reihe, neben sich Marietta. Beide standen aufrecht.
»Kameraden! Männer und Frauen des faschistischen Italiens!« begann Papà seine Rede.
Und Michilino bekam einen Ständer. Unverzüglich. Ihm passierte das gleiche, was ihm beim letzten Mal passiert war, doch wenigstens hatte er beim letzten Mal Mussolini gehört. Michilino steckte eine Hand in die Tasche, und es gelang ihm irgendwie, den Kopf des Vögelchens nach unten zu drücken. Um ihn erschlaffen zu lassen, fing er an, über den Schmerz nachzudenken, den er empfand, weil Mamà fort war. Aber nichts. Da dachte er an den lieben Herrn Jesus, der sich festgenagelt am Kreuze wand. Aber nichts. Und hatte Marietta etwas bemerkt? Er sah sie aus den Augenwinkeln an. An alles dachte Marietta, nur nicht an ihn, sie weinte sogar aus voller Verzweiflung, während Papà über Balduzzo sprach, über seine Jugend, die er großzügig dem Duce für die Größe des Vaterlandes hingegeben hatte. Und nicht nur Marietta weinte, sondern auch die Frauen, die in der Menge standen, während die Augen der Männer glänzten. Aber wieso hörte Papà, während er redete und redete, gar nicht auf, Marietta anzublicken? Papà wandte sich direkt an sie, es war, als wären die anderen überhaupt nicht da. Und auch Marietta war mit ihrem Blick an Papàs Augen gefesselt. Da begriff Michilino. Er begriff, daß Marietta, vielleicht als er im Spital gelegen hatte, Papà von der heimlichen Verlobung mit Balduzzo erzählt hatte. Wieso hatte sie ihn so gründlich eingeweiht? Wie hatte sie sich das erlauben können? In diese Fragen verloren, hob er die Hand. Das Vögelchen richtete erneut den Kopf auf. Und in diesem Augenblick senkte sich die linke Hand Mariettas, die immer noch jammerte, unsichtbar auf den Vogel und gab ihm einen heftigen, bösartigen Schlag.
Papà zog aus der Tasche einen Umschlag und hielt ihn Marietta hin.
»Was ist das, Onkel Giugiù?«
»Da drinnen ist das Geld, das wir für deine Hilfe mit deinem Vater vereinbart haben.«
»Danke«, sagte Marietta und ließ den Umschlag auf dem Tisch.
Michilinos Blick heftete sich auf Marietta und ließ nicht mehr von ihr, so daß die Cousine, die diesen Blick spürte, sich umdrehte.
Er hat dich bezahlt, du Magd, sagten Michilinos Augen.
Halt die Klappe, du Scheißkerl, antworteten Mariettas Augen.
Papà zog einen weiteren Umschlag heraus und legte ihn neben den ersten.
»Und was ist das?«
»Das«, sagte Papà feierlich, »ist ein Geschenk für dich, über das du aber mit niemandem reden darfst. Es ist dein Geld, darüber brauchst du keine Rechenschaft abzulegen. Es ist ein kleines Dankeschön für alles, was du für meinen Sohn und für mich tust.«
Sie saßen gerade bei Tisch. Marietta sprang auf, ihr Stuhl kippte nach hinten, sie lief zu Papà, stellte sich hinter ihn, umarmte ihn, begann die Küsserei auf die Backenknochen, die Ohren, den Hals.
»Basta, basta!« sagte Papà lachend. »Heb dir ein paar Küsse auf für den Tag, an dem du dich verlobst.«
»Ich bin keine Verlobte, und ich will auch keine werden, mir genügt dieser schöne Onkel Giugiù!«
Und sie sah Michilino an. Ihre schlangenkalten Augen sagten: Siehst du, wie sich die Dinge entwickeln, du kleiner Scheißkerl?
Michilino spürte, wie sein
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