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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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seine Stadt Sardes.
    Der Perserkönig wollte Krösus hinrichten lassen, und es wurde ein Scheiterhaufen für ihn errichtet, doch als es so weit war, kam ein plötzlicher Gewitterschauer, der das Feuer löschte. Der Perserkönig war davon so beeindruckt, dass er Krösus frei ließ, da er glaubte, dass nur ein Gott Krösus geholfen haben konnte und er sich nicht gegen die Entscheidung eines Gottes stellen wollte.
    Krösus war nun wieder frei und am Leben, aber sein Königreich hatte er verloren. Verbittert schickte er erneut Boten nach Delphi, die fragen sollten, warum die griechischen Götter ihm so übel mitgespielt hatten, obwohl er ihnen so reiche Opfergaben gebracht hatte. Er meinte, Apollon sei ein undankbarer Gott, der ihm trotz der vielen Geschenke nicht beigestanden habe.«
    Karen erinnerte sich wieder an einen Teil der Legende. »Er soll vorher ganze Hekatomben an Rindern nach Delphi geschickt haben, nicht wahr?«
    »Ja, aber was nützt das, wenn er den Orakelspruch falsch versteht?« Eliadis holte ein zerknittertes Büchlein aus seiner Gesäßtasche hervor und schlug eine bestimmte Seite auf. »Laut Herodot antwortete die Pythia: ›Dem vorherbestimmten Geschick zu entfliehen ist unmöglich, selbst für einen Gott. Krösus hat die Schuld seines Vorgängers aus dem fünften Glied büßen müssen, der als Speerträger der Herakliden den Ränken einer Frau nachgab und seinen Herrn ermordete und die Ehrenstellung innehatte, die ihm keineswegs zukam. Apollon Loxias wünschte zwar, dass das Unglück von Sardes erst über die Kinder des Krösus käme und nicht über Krösus selbst, aber er war nicht imstande, die Schicksalsgöttinnen von ihrem Weg abzubringen. So weit sie jedoch nachgaben, hat er die Einnahme von Sardes aufgehalten, und das soll Krösus wissen, dass er um diese drei Jahre später gefangen genommen wurde, als das Schicksal es eigentlich bestimmt hatte.
    Und zum Zweiten ist er ihm, als er auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, zu Hilfe gekommen. Was aber den Orakelspruch angeht, der ihm erteilt wurde, so ist der Tadel des Krösus nicht berechtigt. Es hat ihm Loxias ja vorhergesagt, wenn er gegen die Perser ziehe, werde er ein großes Reich zerstören. Er hätte daraufhin, wenn er gut beraten gewesen wäre, Boten hinschicken und fragen sollen, ob der Gott sein eigenes Reich oder das des Kyros meine. Dass er aber den Spruch nicht verstand und nicht noch einmal nachgefragt hatte, dafür soll er sich selbst als schuldig bekennen.‹«
    Karen nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. »Krösus war also selbst unschuldig und musste für Gyges’ Mord büßen?«
    »Nicht ganz, denn er war an seinem Schicksal auch selbst schuld, da er das Orakel nicht noch mal genauer befragte. Es gibt mehrere Beispiele in den Legenden, in denen Boten das Orakel mehrfach befragt haben, bis sie eine Auskunft bekamen, die sie verstanden und mit der sie sich vor ihre Herrscher trauten.«
    »Aber warum hat die Pythia ihm das denn nicht schon beim ersten Mal gesagt?«
    Eliadis musste bei dieser Frage grinsen und blickte in Karens schimmernde grüne Augen. »Weil das Orakel versuchte, die Menschen zur Weisheit zu erziehen. Sie sollten nicht alles einfach hinnehmen, sondern die Sprüche und Ratschläge die sie bekamen, hinterfragen. Und wenn sie etwas nicht verstanden hatten, sollten sie noch mal genauer nachfragen. Didaktische Erziehung, so wie bei Sokrates, der seinen Schülern nie Vorgaben machte, sondern sie durch geschickte Fragen zur Selbsterkenntnis brachte. Schade, dass er den Tod wählte. Er hätte noch so viel Gutes tun können.«
    Karen seufzte, als sie an das Schicksal dieses großen Philosophen dachte. »Er glaubte wohl, dass seine Aufgabe erfüllt sei. Platon führte sein Werk ja fort.«
    Eliadis sah zum Himmel hinauf. »Ja, wir hatten viele gute Leute – Thales, Anaximenes, Pythagoras, Heraklit, Protagoras, Sokrates, Platon, Aristoteles. Was wäre die Menschheit ohne deren Erkenntnisse? Wir Griechen sind das erste Volk, das über das Sein nachdachte. Die Babylonier und Ägypter hatten zwar auch Vorstellungen über das Jenseits, aber nicht über das Diesseits. Sie fragten nicht: Wer bin ich? Warum bin ich? Wir Griechen waren es, die sich darüber zum ersten Mal Gedanken machten und die verschiedenen Philosophie-Schulen entwickelten – die Stoiker, Epikureer … Kennen Sie Sokrates’ letzte Worte?«
    »Nein.«
    »›Aber schon ist es Zeit zu gehen, ich zu sterben, ihr zu leben. Wer von uns aber zum Besseren

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