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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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dann geschähen, wenn die Frau, die er liebe, erscheine. Der Mann sang von wildem Jasmin, der plötzlich wieder blühte, von Vögeln, die in den Bäumen zu zwitschern begannen, wenn sie an ihnen vorbeiging, und von sich auf wundersame Weise beugenden Urgewalten, wenn sie erschien.
    Karen genoss die sanfte Melodie des Liedes und die Lyrik, während Delvaux im Fond des Opels bereute, Eliadis ans Steuer und in Reichweite des Radios gelassen zu haben.
    Das Lied klang noch lange in Karen nach, als sie wieder in Delphi waren und sie sich abends eine Moussaka machte und sich danach eine kleine Schüssel mit frischem griechischem Joghurt gönnte.
    Miracles . Wunder. Ja, die brauchte man manchmal. Vor allem, wenn man sehnsüchtig auf einen Anruf von Michael wartete …

29
    Michael hatte sie bis zum Morgen immer noch nicht angerufen. Dafür hatte er ihr wieder eine E-Mail geschickt, in der er sie um Entschuldigung und Verständnis bat, aber er habe erst abends Zeit gehabt und sie nicht wecken wollen.
    Karen kam das wie eine merkwürdige Ausrede vor, aber sie hatte heute Morgen keine Zeit, sich darüber zu ärgern, da sie mit Eliadis und der Touristengruppe zur Korykischen Grotte wandern wollte und sich beeilen musste, um pünktlich beim Amphitheater zu sein.
    Sie nahm ihren Rucksack und packte einige Proviant-dosen, eine Flasche Mineralwasser und ihren Collegeblock hinein und eilte dann zum Treffpunkt.
    Überraschenderweise war dort noch niemand zu sehen, der mit ihr zur Grotte wandern würde. Stattdessen liefen vereinzelte Pärchen und Familien herum, die weiter zum Apollon-Tempel schlenderten.
    Nachdem sie einige Minuten gewartet hatte, kam auch Eliadis mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken den Weg zu ihr hoch.
    »Es tut mir leid, dass ich zu spät bin, aber ich musste noch etwas im Museum erledigen. Sind Sie bereit?«
    Karen sah ihn irritiert an. »Ja, aber wo ist die Reisegruppe aus dem Bus, die mit uns zur Grotte wollte?«
    Eliadis wandte den Kopf ab und zog die Riemen seines Rucksacks nach.
    »Sie wird nicht kommen. Der Reisebus hat kurz vor Galaxidi eine Panne gehabt. Sie haben den Gang zur Korykischen Grotte abgesagt und werden sich mit dem Besuch des Heiligen Bezirks und des Museums begnügen, so wie viele andere auch. Ein Ersatzbus wird sie dann heute Nachmittag abholen und nach Athen bringen.«
    Karen wusste nicht, was sie davon halten sollte. Hatte er sie vorgestern etwa angelogen, und diese Touristengruppe existierte überhaupt nicht, um mit ihr allein zur Grotte zu marschieren? Oder tat sie ihm Unrecht, und vor Galaxidi lag wirklich ein Reisebus auf der Straße?
    »Ich hoffe, Sie wollen trotzdem zur Grotte, Karen. Zu zweit ist es tausendmal einfacher, weil man nicht auf den Langsamsten warten muss. Wir werden viel schneller wieder zurück sein.«
    Karen zögerte, aber nur einen Moment. »Ich muss die Höhle sehen. Sie gehört zu Delphi und zu meinem Buch.«
    »Na dann los.«
    Eliadis ging vor und führte Karen einen schmalen Serpentinenweg zum alten Stadion hinauf, wo sie zwischen großen behauenen Felsbrocken entlanggingen.
    »Ist es nicht schön? Fünftausend Menschen konnten hier die Wettkämpfe während der Pythischen Spiele beobachten. Und dann die Phädriaden im Hintergrund. Was für eine fantastische Kulisse«, schwärmte Eliadis, und Karen musste ihm zustimmen. Die steilen Klippen des Parnass-Gebirges ergaben eine einmalige Szenerie, unter deren Hoheit die Menschen über sich hinauseiferten und große Sieger gekürt wurden.
    Karen betrachtete das lange Stadion mit den beiden breiten Laufbahnen, auf denen Gras und Unkraut wuchsen, während sie damals mit frischem Sand bedeckt gewesen waren. Sie hörte geradezu das Publikum jubeln, als der Sieger nackt und nur mit Helm und Schild über die Ziellinie sprintete.
    »Bevor das Stadion gebaut wurde, fanden die Laufwettkämpfe unten im Pleistos-Tal statt«, erzählte Eliadis. »Da musste man wenigstens nicht extra Sand hinbringen, aber als sie hier dieses Stadion bauten, mussten die Laufbahnen immer wieder mit frischem Sand hergerichtet werden.«
    »Ziemlich viel Arbeit«, erwiderte Karen, während sie die steinernen Tribünen betrachtete. »Waren die Publikumsreihen eigentlich schon immer da?«
    »Nein. Zuerst hatte das Stadion nur Grastribünen. Diese Reihen kamen später dazu. Kommen Sie, wir wollen weiter.«
    Sie erklommen die westliche Seite des Rhodini-Berges, als Eliadis stehen blieb und der Blick auf die Heilige Ebene des Krissa-Tals frei wurde. Vor

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