Der Ziegenchor
anzunehmen. Daraufhin versuchte Kleon, etwas zu schlau zu sein, und hielt dem entgegen, Nikias sei kein besonderer Mensch und ebensowenig Demosthenes, den bereits alle als das Beste nach gebratenem Breitling bezeichnen würden. Jeder Trottel, fuhr er fort, könne diese Spartaner von der Insel jagen und nach ein paar Tagen wieder in Athen sein. Also könne selbst er das erledigen und …
Nikias, der nachdenklich dagesessen hatte, darüber verärgert, sich in der Stunde der Not seiner Pflicht zu entziehen, blickte plötzlich fröhlicher drein und meinte, das sei eine wunderbare Idee, und alle stimmten ihm zu und jubelten aus vollem Hals. Kleon, der von Kriegslist ungefähr so viel verstand wie ich vom Schwammtauchen, bekam ein gespenstisch weißes Gesicht und hob zu einer sehr schnellen Gegenrede an. Aber niemand wollte ihm zuhören; je mehr er plapperte, desto mehr jubelten sie, bis ihm klar wurde, daß es keinen Ausweg gab.
Also stand er auf und hob die Hand, damit endlich Ruhe einkehrte, und alles hörte zu lachen und zu schreien auf, um mitzubekommen, was dieser schlaue Mann als nächstes sagen wollte. Kleon sagte als erstes, zwar sei er von dem Vertrauen, das seine Mitbürger in ihn setzten und das er wie eine großzügige Belohnung für die wenigen geringen Dienste empfinde, die er den Athenern geleistet habe, zutiefst bewegt und fühle sich geehrt, doch könne er sich nicht des Gefühls erwehren, daß es unangebracht sei. Er habe nie zuvor ein militärisches Kommando gehabt, und obwohl ihn nichts mehr freuen würde, als sich auf den Weg zu machen, glaube er nicht, durch solch ein Wagnis das Leben seiner athenischen Mitbürger aufs Spiel setzen zu dürfen. Statt dessen, fuhr er fort, während er die Stimme hob, damit sie über dem Grundpegel ungehobelter Geräusche zu hören war, die von seinen geliebten Mitbürgern stammten, werde er nur die wenigen verbündeten schweren Fußtruppen, die in Athen stationiert seien, mitnehmen sowie eine Truppe leichter Fußsoldaten und Bogenschützen, ebenfalls Verbündete. Dann holte er tief Luft, schloß die Augen und gelobte, daß man ihn, wenn er nicht innerhalb von zwanzig Tagen den Auftrag ausgeführt habe und zurückgekehrt sei, in eine seiner eigenen Lohgruben tauchen und für Sandalen zurechtschneiden könne. Die Athener brüllten vor Lachen und jubelten so laut, daß man sie durch die ganze Stadt hören konnte; denn selbst wenn Kleon kaum darauf hoffen durfte, sein Wort halten zu können, hatte es doch großen Spaß gemacht, ihm zuzuhören. Und noch mehr Spaß war nach seiner Rückkehr, wenn er seine Entschuldigungen vorbringen würde, und bei dem anschließenden Prozeß zu erwarten.
Zwanzig Tage später kehrte er tatsächlich zurück; und bei ihm waren die Spartaner von der Insel, zu denen auch einhundertundzwanzig adlige Spartiaten gehörten, und zwar in Ketten. Danach herrschte ein ganz anderer Jubel, und obwohl Aristophanes’ nächstes Stück, das von vorn bis hinten mit den bösartigsten Attacken auf Kleon gespickt war, den ersten Preis gewann, war das praktisch nichts anderes als die athenische Art, ihm zu sagen, wie sehr man ihn liebe, so wie man schon vor ihm Perikles und Themistokles geliebt hatte.
In Wirklichkeit war es keineswegs mehr Glück als Verstand, wie hinterher alle behaupteten. Weil Kleon kein Soldat war, dachte er nicht wie ein Soldat. Er erkannte, daß die schwere Fußtruppe, Kernstück jedes griechischen Heers, mit ihrer Unbeweglichkeit häufig nur eine Belastung ist, und da das Ziel des Einsatzes war, so viele spartanische Soldaten wie möglich lebend gefangenzunehmen, wollte er diesen Truppenteil nicht gegen sie einsetzen. Statt dessen setzte er seinen Verstand ein. Zuerst steckte er die Wälder in Brand, von denen Sphakteria überzogen war – Demosthenes war offenbar viel zu schlau gewesen, um an so etwas Einfaches zu denken –, und als die Spartaner wie aufgescheuchte Hasen aus dem Korn, wenn es geschnitten wird, herausgerannt kamen, bedrängte er sie mit den leichten Fußsoldaten und Bogenschützen, bis sie in einer Mischung aus Erschöpfung und Enttäuschung über die Unfähigkeit, ihre Peiniger in den Griff zu bekommen, die Schilde zu Boden warfen und sich wortlos ergaben. Das war ein vollkommen neues und barbarisches Vorgehen, aber es gelang – mit minimalen Verlusten für den Gegner und praktisch keinen für uns.
Das war Kleon, vielleicht der typischste Athener unter den Führern der Stadt während meines Lebens. Es ist falsch,
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