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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Phaidra es aufgegeben hatte, sich mit anderen Männern zu treffen (obwohl sie das vehement abstritt), wohingegen ich nie einen Sinn darin sehen konnte, hinter Flötistinnen und Dienstmädchen herzulaufen, die sich nie waschen und einem ewig mit ihrem Gezeter um Geld in den Ohren liegen.
    Alles dies ging mir durch den Kopf, während ich dasaß, und ich vergaß völlig die Härte des Sitzes (ich hatte vergessen, ein Kissen mitzubringen) und die unglaubliche Langweiligkeit des Stückes – und sogar meine Angst vor Phrynichos. Als ich schließlich wieder zu mir kam, war der König (oder wer immer das sein sollte) bereits umgebracht oder geblendet oder in was auch immer verwandelt worden, und der Chor befand sich schon in der zweiten Klagerunde. Ich verbannte sämtliche Gedanken an Phaidra aus dem Kopf und sah mir die Zuschauer genauer an.
    Es beruht wahrscheinlich nur auf Einbildung, aber ich glaube, daß ich allein durch bloßes Hinschauen sagen kann, ob eine feindliche Linie siegen oder fliehen wird oder ob ein Publikum voraussichtlich freundlich gesinnt ist oder nicht. Über das Zuschauerverhalten kann man eine ganze Menge im voraus herausbekommen. Ist es ein schlechtes Jahr gewesen oder hat der Feind die Ernten verbrannt, dann brennen die Zuschauer darauf, zufrieden zu sein und über alles, was nur ansatzweise Ähnlichkeit mit einem Witz hat, vor Lachen brüllen. Wenn aber die Weinlese gut gewesen oder gerade die Nachricht von einem Flottensieg eingetroffen ist, dann werden sie wie die Geschworenen im Prozeß gegen einen Politiker dasitzen und begierig darauf warten, daß ein kleiner Fehler oder gar eine ganze Panne passiert. Ist das Stück zu gut, um es zu zerreißen, dann zeigen sie gegenüber den Schauspielern keine Gnade. Sind hingegen die darstellerischen Leistungen jeder Kritik erhaben, dann ist es klar, daß das Stück schwach ist und die Kostüme offenbar in letzter Minute aus alten Umhängen und Segeltuch roh zusammengeflickt worden sind. Bei Tragödien ist es natürlich genau andersherum – die Menschen mögen nämlich nichts mehr als Blut und Tod, nachdem sie sich den eigenen Bauch mit frisch hergestelltem Käse und Wein vollgeschlagen haben. Herrscht hingegen eine Lebensmittelknappheit oder wurde die Liste der Gefallenen vorgelesen, dann regt sie das Herumgehüpfe und Wehklagen der Schauspieler über alle Maßen auf. Deshalb begeben sich die Tragiker nach Piräus, wenn die Flotte in See sticht, und bringen Opfer für deren sichere Rückkehr dar, während die Komödiendichter ein stilles Gebet für ein heftiges Unwetter an Poseidon richten.
    Dieses Jahr war allerdings weder ausgesprochen gut noch richtig schlecht gewesen; im Krieg hatte es genauso viele Siege wie Niederlagen gegeben (so versicherten wir uns zumindest gegenseitig), und obwohl die Spartaner einen Großteil der Gerste verbrannt hatten, war ihnen doch mehr als gewöhnlich entgangen. Deshalb hing sehr viel von den Stücken, Komödien und Tragödien ab, die vor meinem Heerführer aufgeführt werden sollten. Sind die Zuschauer schon von der ersten Komödie des Festspiels hingerissen, geben sie den danach folgenden kaum noch eine faire Chance. Ist das aber nicht der Fall, dann neigen sie dazu, sich im Zweifelsfall zugunsten des zuletzt aufgeführten Stücks zu entscheiden. Haben die Tragödien sie gelangweilt, gefallen ihnen die Komödien besser. Sind die Tragödien hingegen noch immer Gesprächsthema, wenn die erste Komödie auf die Bühne kommt, dann sind sie durchaus dazu imstande, während der gesamten Anfangsszene miteinander zu plappern und hinterher dem Verfasser vorzuwerfen, er habe bei der Einführung des Stücks die Sachlage nicht richtig erklärt.
    Natürlich ist die Publikumsreaktion nicht das, was wirklich zählt; wovon jeder Dramatiker Alpträume hat, sind die zwölf Preisrichter, deren Beurteilung bemerkenswerte Auswirkungen hat. Wenn ein Stück, obwohl es eben noch von der Bühne gebuht worden ist und die Schauspieler nur knapp mit dem Leben davongekommen sind, anschließend mit dem ersten Preis ausgezeichnet wird, dann zitiert es ein jeder bei der Feldarbeit und erklärt es zur lustigsten Geschichte aller Zeiten, während das Stück auf dem dritten Platz allgemein verspottet wird, selbst wenn das Publikum beim Auftritt des Chors vor Lachen fast erstickt ist und brüllend Wiederholungen verlangt hat. Und dann gibt es natürlich stets jene Leute – wie ich immer wieder feststelle, stehe ich gewöhnlich in Warteschlangen hinter

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