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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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und Salamis, danach folgte eine recht witzige Anrufung der Herrin Knoblauch, bis er schließlich zu einem seiner Lieblingsthemen kam, nämlich den Dichtern.
    Zuerst kam fast zwangsläufig Kratinos an die Reihe, der mittlerweile im Sterben lag. Phrynichos hatte viel Spaß daran zu erzählen, wie sich Hermes, während sich Dionysos und Aphrodite wie zwei wilde Hunde um Kratinos’ elenden Leichnam stritten, als Gott der Diebe, hinter ihnen heranschlich, um den größten Räuber fremder Witze, den die Welt je gesehen hatte, für sich selbst zu sichern. Dann wurde uns einiger hervorragender Stoff über Ameipsias geboten, der in der Schlacht bei Delion sein Schild wegwirft und ausgerechnet von Sokrates gerettet werden muß, den er in einem seiner Stücke heruntergeputzt hatte. Zu diesem Zeitpunkt grinste ich schon leicht entrückt, zumal ich es kaum abwarten konnte, was der Dichter über Aristophanes von sich geben würde. Was ich und mehrere tausend andere Zuschauer schließlich hörten, war folgendes:
    Als ob es nicht schlimm genug ist (sagte Phrynichos’ Chorführer), diese streunenden Stinktiere zu haben, die auf Dionysos’ Altar springen, um die von Thespis hinterlassenen Gaben hinunterzuschlingen, gibt es jetzt in Athen einen neuen Dichter – einen Krüppel mit einem unaufhörlichen Grinsen, der zwischen den Beinen nichts als einen ekligen Ausschlag hat. (Es stimmt, manchmal habe ich dort bei heißem Wetter Ausschlag; Zeus allein weiß, wie Phrynichos das herausfand.) Wie uns zu Ohren gekommen ist, enthält sein Stück, das ihr bald selbst beurteilen könnt, einige schöne Stellen. Die sind natürlich nicht von ihm selbst. Er hat sie von Aristophanes im Austausch für dessen Leben erhalten, als er diesen glatzköpfigen Sohn einer Ziege bis zum Heft in seiner schönen jungen Ehefrau stecken fand.
    Es ist ein eigenartiges Gefühl, in einem Stück beleidigt zu werden und die Menschen vor Lachen schreien zu hören. Der Mann zu meiner Rechten stopfte sich den Umhang in den Mund und prustete, während mein Nachbar zur Linken ein solch breites Grinsen aufgesetzt hatte, daß es rund um die Küste von Piräus bis nach Anaphlystos gereicht hätte. In diesem Moment hätte ich Phrynichos mit Freuden kastriert, aber ich fühlte eine seltsame Hitze in mir aufsteigen, fast etwas wie Stolz, und wollte mich an meine Nachbarn wenden und sagen: »Das bin ich, über den er spricht.« Wenn ich mich mit Männern unterhalte, über die ich Witze gemacht habe, behaupten sie von sich, ungefähr das gleiche zu empfinden, und schreiben dieses Gefühl der Macht des Gottes Dionysos zu. Im Laufe der Zeit bin ich natürlich gegenüber abfälligen Bemerkungen, die über meine Person in Komödien geäußert wurden, abgestumpft, bis ich sie nur noch bemerkt habe, wenn sie fehlten.
    Ich traf Phaidra vor dem Tor, und wir gingen zusammen nach Hause.
    »Wenn du wirklich ein Mann wärst, würdest du für mich diesen Phrynichos umbringen«, fauchte sie mich an.
    Ich zuckte die Achseln. »Wieso? Weil er deiner Meinung ist?«
    »Mir ist es völlig egal, was er über dich sagt.«
    »Immerhin hat er dich als hübsch bezeichnet«, wandte ich ein.
    »Ich habe nicht behauptet, daß er nicht die Wahrheit gesagt hat«, antwortete sie schnell. »Aber wie ich mich jetzt noch in der Öffentlichkeit sehen lassen kann, weiß ich wirklich nicht.«
    Ich legte ihr den Arm um die Taille und sagte besänftigend: »Ach, ist doch gleichgültig. Immerhin hat er meine Rede nicht gestohlen, und das ist ja wohl die Hauptsache.«
    »Woher wußte er überhaupt von deinem Ausschlag?« wollte Phaidra wissen.
    »Darüber mußt du wohl im Schlaf gesprochen haben«, gab ich schnippisch zur Antwort.
    »Jetzt werden sich alle Frauen weigern, neben mir zu sitzen, damit sie sich nicht bei mir anstecken«, fuhr sie fort, als ob ich nichts gesagt hätte. »Was du da hast, ist doch nicht ansteckend, oder?«
    »Ich denke, nicht. Jedenfalls hoffe ich nicht, daß ich mit meinem Stück schon morgen dran bin«, kam ich ihr zuvor. »Vor Tagesanbruch wird man mich natürlich nicht unterrichten können, und dann muß ich durch sämtliche Weinstuben ziehen, um die ganzen Schauspieler aufzustöbern. Das wird mir bestimmt Spaß machen.«
    »Eupolis.« Phaidra war jäh stehengeblieben und biß sich auf die Unterlippe. »Ich muß dir etwas sagen.«
    »Weißt du wenigstens, wer der Vater ist?«
    Plötzlich blickte sie sehr böse drein und schrie mich an: »Warum mußt du eigentlich andauernd Witze machen?

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