Der Ziegenchor
Ich habe das langsam satt, hörst du? Die ganze Zeit nichts als dumme Bemerkungen. Ich glaube nicht, daß das noch witzig ist.« Sie zog ihre Hand von mir zurück und drehte mir den Rücken zu. Ich kam mir auf einmal ziemlich lächerlich vor, obwohl nur Zeus allein weiß, warum, und ich stand auf einem Bein da und wartete darauf, daß sie etwas sagte.
Schließlich fuhr sie mit immer noch mir zugewandtem Rücken fort: »Ich meine, wenn es mit dir seit unserer Hochzeit keine so völlige Zeitvergeudung gewesen wäre, hätte ich es erst gar nicht getan.«
»Was getan?«
»Wenn also irgend jemand schuld hat«, fuhr sie fort, wobei sie zu mir herumschnellte und mich böse ansah, »dann du, du saublöder Kerl!« Sie spuckte geschickt genau zwischen ihre Füße. »Du hast mich einfach zu weit getrieben, das ist alles.«
»Was hast du getan?«
»Ach, geh doch hin, wo der Pfeffer wächst!« schnauzte sie mich an und entfernte sich rasch. Ich lief hinter ihr her und bekam sie an den Handgelenken zu fassen. »Laß mich los!« fluchte sie und riß dabei ihre Hände frei. »Wie du siehst, kannst mich nicht mal richtig schikanieren.«
»Ich habe dir eine Frage gestellt!« ermahnte ich sie. »Was hast du getan?«
»Das war alles Aristophanes’ Idee, als ich mich noch mit ihm getroffen habe«, antwortete sie kleinlaut und fuhr dann im gewohnten Ton fort: »Weißt du, daß er fast eine solche Flasche ist wie du? Jedenfalls wollte er, daß ich irgendeine Möglichkeit finde, dein Stück zu ruinieren. Ich habe ihm gesagt, da brauche er sich keine Sorgen zu machen, es werde zwangsläufig von selbst scheitern. Aber er ist genauso blöd wie du und wollte unbedingt sichergehen. Und darum habe ich angefangen, so nett zu dir zu sein…«
»Wann? Das muß ich verpaßt haben…«
»Um Himmels willen, Eupolis!« Sie hatte vor Zorn ganz schmale Lippen, und ich entschloß mich, nicht weiter auf ihr herumzuhacken. »Ich habe mich von dir zu diesen blöden Proben mitnehmen lassen, und du hast unaufhörlich von deinen blöden Kostümen für deinen blöden Chor geredet. Deshalb habe ich genau zugehört, was über den Aufbewahrungsort gesagt wurde.«
»Die sind drüben in Philonides’ Haus«, entgegnete ich. »Er bewahrt sie in seinem Innenraum auf, in einer verschlossenen Truhe.«
»Ich weiß«, erwiderte Phaidra grinsend. »Das habe ich sogar mittlerweile von ihm selbst erfahren und es dann Aristophanes erzählt. Morgen früh wird er mit seinen Schauspielern noch vor Tagesanbruch vorbeikommen, sich einen Weg durch die Hausmauer bahnen und sie stehlen.«
Es war, als hätte mich dieser Straßenräuber ein zweites Mal niedergeschlagen. Ich fühlte, wie mir die Beine nachgaben, und konnte kaum denken. »Um Himmels willen, Weib!« stöhnte ich. »Warum hast du mich statt dessen nicht einfach getötet? Welch abscheuliche Tat hast du da nur begangen!«
Dann spürte ich ihren Kopf unter meinem Kinn und ihre Arme um mich. »Aber du hast es nicht anders verdient«, schluchzte sie. »Du hast es wirklich nicht anders verdient. Ich wußte, daß es dir weher täte als alles andere auf der ganzen Welt, weil du so blöd bist.«
Sie so nah an mir zu spüren, war wie loderndes Feuer, das meine Seele entflammte und Armen und Beinen Kraft gab.
»Woher weißt du, daß es morgen früh stattfinden soll?« fragte ich. »Woher will er überhaupt wissen, wann ich an der Reihe bin? Ich hätte genausogut als erster dran sein können.«
Phaidra schüttelte den Kopf. »Er hat die Wahl manipuliert. Er hat jemanden bestochen, wen, hat er mir allerdings nicht verraten. Er wollte dich morgen haben und sich selbst zuletzt, um sicher zu sein, Phrynichos zu schlagen. Eupolis, ich…«
»Das besprechen wir später«, unterbrach ich sie. »Geh nach Hause und setz viel starken Wein an. Ich muß erst mal Philonides auftreiben.«
Als sich die Morgendämmerung mit ihren Rosenfingern über den östlichen Himmel ausbreitete, hielt ich mich hinter einem großen Krug in Philonides’ Innenraum versteckt, wobei ich diese Mischung aus Angst und gerechtem Zorn verspürte, die Theseus gefühlt haben mußte, als er auf der Suche nach dem Minotauros durch das Labyrinth irrte.
Philonides selbst hatte sich in unbequemer Stellung hinter die Kostümtruhe gekauert. An strategisch wichtigen Punkten waren, über den ganzen Raum verteilt, unsere vier Schauspieler, der kleine Zeus und drei große Sklaven aus Philonides’ Haushalt sowie ein Mann postiert, der gerade bei unserer Ankunft
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