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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ihnen –, die andauernd anderer Meinung als die Preisrichter sind, das drittplazierte Stück loben und sagen, daß sie, falls der erste Preisträger nächstes Jahr erneut einen Chor gestellt bekomme, lieber zu Hause bleiben und Weinpfähle machen wollten.
    In jenem Jahr konnte ich keinen der Preisrichter wiedererkennen – damals wurden sie wirklich durch Los aus dem Wählerverzeichnis bestimmt –, was ich alles in allem für die beste Lösung hielt. Ein Freund unter den Preisrichtern kann zwar ein Segen, aber auch ein Nachteil sein, wohingegen ein Feind immer verhängnisvoll ist. Wie ich mich erinnere, habe ich sie lange und durchdringend angestarrt und dabei versucht, mit den Augen ihre Rippen aufzubrechen, um ihre Gemütsverfassung zu erkennen, doch je länger ich sie musterte, desto weniger erkannte ich. Da war ein sehr alter Mann, der ständig seinem Nachbarn etwas zuflüsterte; ich konnte ihn beinahe sagen hören: »Als ich noch ein Junge war, gab es natürlich noch Männer wie Aischylos und Phrynichos – das heißt selbstverständlich den Tragödiendichter Phrynichos, nicht diesen jungen Mann, der heute Komödien schreibt.« Der Mann neben ihm nickte die ganze Zeit abwesend, wandte aber kein ein einiges Mal den Blick von der Bühne und rutschte auch nicht auf dem Sitz nervös hin und her, sondern saß völlig still da, wobei er die Hände ordentlich auf dem Schoß gefaltet hatte. Wahrscheinlich würde er für das Stück mit den wenigsten metrischen Fehlern stimmen, und ich krümmte mich bei dem Gedanken an die drei noch nicht richtig sitzenden Zäsuren im Heerführer. Ein dritter hatte die Augen geschlossen, und ich war von Zorn erfüllt; falls er es auch wagen sollte, einzuschlafen, während mein Chor auf der Bühne war, wollte ich eine Schleuder holen und ihm damit die Augen ausschießen. Doch als die Strophe zu Ende war, bewegte er den Kopf und nickte, und mir wurde klar, daß er genau aufgepaßt hatte. Das wird dein Preisrichter sein! redete ich mir etwas überheblich ein, der läßt sich wenigstens nicht durch schicke Kostüme oder raffinierte Masken beeinflussen. Es sind die Worte, an denen er interessiert ist. Dann fiel sein Kopf zur Seite, und ich sah, daß er letztendlich doch noch eingeschlafen war.
    Als der Ausrufer verkündete: »Phrynichos, laß deinen Chor auftreten!«, war ich in Schweiß gebadet, und mein Herz schlug wie die Trommel auf einer Triere, wenn der Rudermeister das Tempo für den Angriff vorgibt. Ich preßte die Zähne zusammen, denn ich war fest entschlossen, nicht zu lachen, richtete mich in meinem Sitz auf und betete, daß Philonides den Chor bestochen oder Sand in die Maske des Hauptdarstellers gefüllt hatte. Doch als der erste Witz kam, vernahm ich dieses seltsame Gefühl in der Brust, und irgend etwas schien in mir aufzusteigen, als hätte ich Bohnen gegessen und neuen Wein getrunken, und ich hörte mich selbst lachen. Tödliches Entsetzen packte mich, als ich einsah, daß das Stück wirklich komisch war, und als das Publikum lachte, war es wie das Donnern von Hufen, die die Erde zum Beben bringen, wenn die feindliche Reiterei auf einen zukommt und man nicht mehr fliehen kann.
    Dann sprach meine innere Stimme in aller Ruhe mit mir und sagte mir, daß ich nichts mehr tun könne, zumindest bis das Stück vorbei und ich in der Lage sei, schnurstracks zu Philonides’ Haus zu gehen, um die drei fehlerhaften Zäsuren und den Witz über die Sprotten in Ordnung zu bringen. Ich stemmte die Füße fest auf den Stein und schob mich in den Sitz zurück, und schon bald genoß ich das Stück, denn es war eine wirklich gute Komödie. Sie handelte von einem Mann, der den Krieg gewinnt, indem er die Sonne in einem Krug herunterholt, so daß das spartanische Heer in der Dunkelheit vom Weg abkommt und über eine Klippe marschiert, und es gab eine ausgelassene Szene mit Apollon, der versucht, durch das Vortragen von Textstellen aus Sophokles den Deckel vom Krug zu zaubern.
    Mir gefiel es wirklich so gut, daß ich alles um mich herum vergaß und genauso laut klatschte wie alle anderen, als sich der Chor zu den Anapästen aufstellte. Phrynichos’ Ansprachen ans Publikum waren immer der beste Teil seiner Stücke, und zu der Zeit, als er die Knoblauchfresser geschrieben hatte, mußte er mit unheimlichem Geschick erahnt haben, welche Themen während der Festspiele auf der Tagesordnung stehen würden.
    Er fing mit einem Lob des Heers und der Flotte an und verglich sie mit den Männern bei Marathon

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