Der Ziegenchor
nach einer Beschäftigung, zumal ich zu jenem Zeitpunkt der Komödie den Rücken gekehrt hatte. Wir hauten Terrassen in Hänge hinein, in die sich selbst Ziegen nicht zu gehen trauten, kratzten die Erde in Körbe und ließen sie an Seilen zu der neuen Anbaufläche hinab. Wir bauten Dämme wie die Mauern von Babylon, nur um kleine Wasserrinnsale zu zwingen, den richtigen Weg hinabzutröpfeln, doch die einzige Flüssigkeit, mit denen der Boden regelmäßig getränkt wurde, war unser Schweiß. Ich darf gar nicht daran denken, wieviel Geld und Verpflegung ich bei dem Versuch vergeudet habe, den Hängen des Parnes und Hymettos ein paar Morgen Land abzuringen, aber als ich mich erst einmal darauf festgelegt hatte, wollte ich unter keinen Umständen den Rückzug antreten. Am Ende war alles getan, die Weinreben und Oliven waren angepflanzt, und wir konnten uns in aller Ruhe zurücklehnen und ihnen beim allmählichen Dahinwelken und Absterben zusehen. Von dreißig Morgen Terrassenland, das wir rund um die Berghänge angelegt hatten, werden heute nur noch zehn bebaut.
Während ich diese Sisyphusarbeit verrichtete, bekam Phaidra ihr Kind, und nach dem ganzen Ärger handelte es sich zu allem Überfluß nur um ein Mädchen. Phaidra nannte es Kleopatra – ›Papas ganzer Stolz‹ (ihr Humor war so schlecht wie eh und je) – und gab es einer der Frauen ihres Vaters zum Aufziehen. Natürlich machte ich mich nicht auf den Weg, um mir das Kind anzusehen, denn insgeheim war ich immer noch davon überzeugt, daß es nicht von mir war. Aber Kallikrates ging hin und nahm ein kleines Kästchen Gold und Lapislazulischmuck mit, den er von seinem eigenen Geld gekauft hatte – seine Frau war unfruchtbar, und er hatte sich dennoch geweigert, sich von ihr scheiden zu lassen. Als er mich das nächstemal besuchen kam, betonte er zwar immer wieder, wie ähnlich mir die kleine Kleopatra sehe, aber davon wollte ich nichts wissen und sagte deshalb nur er habe wahrscheinlich recht – glatzköpfig, mit einem idiotischen Grinsen und einem ekligen Ausschlag zwischen den Beinen. Danach erwähnte er sie nie wieder.
Schon kurz nach Kleons Tod entdeckte ich, daß er seinen Einfluß benutzt hatte, um meinen Namen von der Heeresliste fernzuhalten. Ich war vollkommen verblüfft, da ich mir keinen Grund denken konnte, weshalb er mir hätte helfen wollen. Natürlich hatte ich mich gefragt, warum ich nur einmal einberufen worden war, diesen Umstand aber als reine Glückssache betrachtet. Doch Kleonymos, der mich darüber unterrichtete, als ich ihn eines Tages zufällig in Pallene traf, sagte mir, Kleon habe ganz im Gegenteil große Stücke auf mich gehalten, und nebenbei sei ich der einzige Dichter in Athen gewesen, bei dem Kleon eine Chance sah, ihn auf seine Seite zu ziehen.
»Das galt natürlich für die Zeit, als du noch als Dichter tätig warst und bevor du diese bösen Erfahrungen machen mußtest«, fuhr er fort, wobei er sich die riesigen Hände an meinem Feuer wärmte.
Ich lachte, was mir inzwischen ziemlich leicht fiel, und entgegnete vergnügt: »Dann hat er sich in mir ja wohl geirrt, wie? Aber man kann eben im Leben nicht immer recht behalten.«
»Ach, was soll denn dieses allgemeine Geschwätz?« winkte Kleonymos ab. »Ich persönlich finde jedenfalls, ihr Komödiendichter gehört ausnahmslos zum Abschaum der Menschheit, und je eher man euch in die Silbergruben schickt, desto besser. Kleon dachte da ganz anders als ich. Er mochte die Komödie und betonte immer wieder, es sei ihm Tausende von Stimmen wert, wenn man auf seine Kosten Scherze mache, weil es die Menschen davon abbringe, ihn als Bedrohung zu betrachten. Da fragt sich nur, wer damals wen zum Narren gehalten hat.«
»Aber Kleon hat Aristophanes sogar gerichtlich verfolgt«, hielt ich ihm entgegen.
»Ich habe immer gedacht, du hättest das gebilligt.«
»Mord, ja«, erwiderte ich und schenkte ihm etwas Wein nach, »aber niemals Strafverfolgung. Das war eine furchtbare Tat. Gottlos.«
»Na ja, jeder macht mal Fehler«, gluckste Kleonymos lachend in den Weinkrug hinein. »Jedenfalls waren es nicht die Witze über seine Person, die Kleon gestört haben. Dieser Sohn des Philippos verkehrt nämlich mit einigen äußerst zwielichtigen Gestalten. Weißt du, lange Haare und mit Schaffell gefütterte Reitstiefel und Unterricht in Redekunst und kleine Abstecher nach Sparta, wenn gerade niemand aufpaßt.«
»Kommt jetzt wieder mal deine große Verschwörungstheorie, oder was? Ich dachte
Weitere Kostenlose Bücher