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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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und selbst ich hätte eine Begegnung mit Demosthenes nicht vergessen.
    Dann rief man mich hinein, und allmählich bekam ich feuchte Hände. Aus irgendeinem Grund war ich zu der Überzeugung gelangt, man werde mich vor den versammelten Rat rufen, und ich müsse dort stehen, während man mich aus allen Ecken des Saals mit Fragen bewarf. Folglich war ich mehr als erleichtert und alles andere als enttäuscht, als ich in einen kleinen Anbau geführt wurde, der die ungefähre Größe der Vorratskammer eines armen Bauern hatte. Dort saß ein Mann, den ich kannte, einer meiner Nachbarn aus Phrearrhos, und ich nahm an, daß auch er wartete.
    »Hallo, Mnesarchides«, begrüßte ich ihn. »Hat man dich auch kommen lassen?«
    »Ach, red keinen Unsinn!« erwiderte er etwas ungehalten. »Ich sitze im Rat. Hörst du eigentlich nie zu, wenn dir die Leute etwas erzählen?«
    Jetzt, da er darauf zu sprechen kam, erinnerte ich mich, davon gehört zu haben, daß er für dieses Jahr berufen worden war. Ich lächelte breit und sprach ihm mein Bedauern aus, woraufhin er sich bei mir bedankte.
    »Also, junger Eupolis«, sagte er in einem förmlichen Ton, den selbst recht vernünftige Leute anschlagen, wenn sie gegen ihren Willen in ein öffentliches Amt gedrängt worden sind, »ich freue mich, dich darüber in Kenntnis setzen zu dürfen, daß du dazu ausgewählt worden bist, an unserem bevorstehenden Einsatz in Thessalien teilzunehmen.«
    »Welcher Einsatz in Thessalien? Ich dachte, das sei jetzt alles vorbei.«
    »Es haben sich Vorfälle ereignet, die Gespräche auf höchster Ebene zwischen uns und der derzeitigen Regierung erforderlich machen«, klärte Mnesarchides mich auf.
    »Ich verstehe.« Ich konnte zwar seine Mißbilligung spüren, mich aber irgendwie nicht dazu durchringen, Mnesarchides in seiner neuen Rolle als Ratsmitglied ernstzunehmen; als ich das letztemal mit ihm gesprochen hatte, hatten wir uns darüber unterhalten, wie man Mist am besten faulen läßt, und zudem war er ein ausgesprochen langweiliger Mensch. »Also, was soll ich tun?«
    »Du wirst Theoros und Straton nach Larisa begleiten und danach von deinen Erkenntnissen Bericht erstatten, und zwar der Volksversammlung und mir persönlich.«
    »Dir persönlich?«
    »Genau.« Er nickte entschieden und fuhr fort: »Als Entschädigung wirst du eine Drachme pro Tag erhalten, zahlbar bei deiner Rückkehr, und sollte sich ein unglücklicher Zwischenfall ereignen, hast du natürlich Anspruch auf ein Staatsbegräbnis, und deine Kinder werden ihre erste Rüstung kostenlos aus öffentlichen Mitteln erhalten.«
    »Wie beruhigend«, entgegnete ich abfällig. »Also, wann brechen wir auf?«
    »Vorher muß ich dich allerdings über den Zweck deines Einsatzes unterrichten«, erwiderte Mnesarchides mit gerunzelter Stirn.
    »Das wäre hilfreich«, stimmte ich zu.
    »Du wirst die Prinzen Alexander und Jason fragen, wie sie dazu stehen, zu unserer Unterstützung einige Reiter zu entsenden, falls sich im Laufe des nächsten Jahres die Lage auf unvorhergesehene Weise verändern sollte«, weihte Mnesarchides mich ein. »Du bist ermächtigt, fünf Obolen pro Mann und Tag sowie eine Prämie von zwei Talenten anzubieten.«
    »Fünf Obolen?« hakte ich ungläubig nach. »Ist das nicht ein bißchen viel für einen Haufen thessalischer Pferdediebe?«
    »Dabei handelt es sich natürlich nur um die vom Rat bewilligte Höchstgrenze«, verteidigte Mnesarchides den Beschluß. »Natürlich hoffen wir, daß du eine vorteilhaftere Vereinbarung zustande bringst.«
    »Rechnest du denn mit einer unvorhergesehenen Veränderung der Lage?«
    »Wir müssen auf jede Eventualität vorbereitet sein«, antwortete Mnesarchides. »Ihr lauft in drei Tagen mit der Salaminia aus dem Hafen von Piräus aus und werdet bis zur Mündung des Flusses Tempe segeln, wo euch eine Reiterschwadron der Prinzen erwarten wird, um euch von dort aus nach Larisa zu begleiten.«
    »Wie viele Reiter wollen wir überhaupt haben?« fragte ich.
    »Nenn lieber keine genaue Zahl«, ermahnte er mich. »Bis jetzt ist unser genauer Bedarf nur sehr schwer zu bestimmen.«
    »Wirklich völlig unvorhersehbar?«
    »Genau.«
    »Aber mehr als hundert sollten es schon sein, oder?«
    »Sicherlich weit mehr als hundert. Wir würden sogar mehr als fünfhundert gutheißen.«
    Es herrschte ein langes Schweigen. »Wie machen sich eigentlich deine Linsen, Mnesarchides?« fragte ich ihn schließlich.
    »Ganz prima«, antwortete er. »Viel Glück.«
     
    Falls Sie

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