Der Ziegenchor
morgen eine Nachricht von Phaidra erhalten«, sagte er. »Sie läßt dir ausrichten, daß sie nicht zurückkommt, bevor du dich nicht entschuldigt hast. Ich weiß zwar nicht, was sie diesmal angestellt hat, aber falls ich dir in irgendeiner Weise behilflich sein kann, dann…«
Ich runzelte die Stirn, wobei ich ein Gefühl hatte, als wäre ich betrunken. »Zurückkommen?« fragte ich. »Ich wußte nicht mal, daß sie weggegangen ist.«
»Sie ist im Haus ihres Vaters«, entgegnete Kallikrates. »Jedenfalls hält sie sich dort schon den ganzen Tag auf. Willst du damit sagen, du hast es nicht mal gemerkt?«
Ich mußte laut lachen, und Kallikrates, der sehr geduldig mit mir gewesen war, geriet schließlich in Wut. Er riet mir, ich solle mich gefälligst nicht länger wie ein Kind aufführen, und knallte die Tür hinter sich zu. Ich rief ihm etwas hinterher, aber er kam nicht zurück; zwar war es schwer, ihn auf die Palme zu bringen, aber wenn er erst einmal oben war, bekam man ihn nicht mehr herunter. Nach seinem überstürzten Abgang setzte ich mich ans Feuer, das schon lange ausgegangen war, und lauschte angestrengt meiner inneren Stimme, aber da kam nichts.
Am nächsten Morgen hatte ich zwei Besucher. Der eine war ein Bote von Phrynichos, der mich nach alter Sitte zu dessen Siegesfeier einlud. Ich kann mich zwar nicht erinnern, womit ich nach ihm warf, aber was es auch war, getroffen habe ich ihn nicht. Der zweite Besucher war Phaidras Vater, der seine Tochter wie einen widerspenstigen Hund hinter sich herzog.
»Dieses Weib ist jetzt dein Problem«, sagte er und schob sie mir entgegen, wie ein Kunde einem Fischhändler verfaulte Sardinen zurückgibt. »Ich habe Gäste bei mir wohnen und brauche Phaidra nicht zum Krawallmachen im Haus. Außerdem sollte ein Mann in der Lage sein, seine eigene Ehefrau im Zaum zu halten.«
An der linken Wange hatte er Kratzspuren, die denen verdächtig ähnlich sahen, die ich einmal bei mir selbst im Spiegel entdeckt hatte. »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Das kommt bestimmt nicht noch mal vor.«
»Es wäre besser gar nicht erst passiert, das ist alles«, hielt er mir vor. »Und eins laß mich noch klarstellen, junger Mann – ich werde sie nicht in meinem Haus gebären lassen, und das ist mein letztes Wort. Bring gefälligst selbst Ordnung in dein Chaos!«
Er stürmte hinaus und schloß rasch die Tür hinter sich, als ob er Angst hätte, daß Phaidra noch hinter ihm hinausschlüpfen könnte. Eine ganze Weile stand sie nur schweigend da und blickte mich an.
»Hast du das gehört?« fragte sie mich schließlich.
»Ich bin ja nicht taub«, antwortete ich. »Stimmt das wirklich?«
»Ja, natürlich stimmt das!« fauchte sie mich an. »Ich wünschte nur, es würde nicht stimmen.«
»Na gut, allerdings weiß ich nicht, was ich deiner Meinung nach in dieser Sache unternehmen soll, da ich offensichtlich nicht der Vater bin.«
»Natürlich bist du der Vater!« brüllte sie mich an. »Und sieh mich gefälligst an, ja?«
Ich drehte ihr den Rücken zu. »Ich bin nicht der Vater, und ich werde das Kind auch nicht als meines anerkennen. Da kannst du machen, was du willst.«
»Na prima! Dann werde ich es eben draußen in den Bergen den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Willst du das wirklich?«
»Das ist mir vollkommen gleichgültig«, antwortete ich, schloß die Augen und atmete tief ein. »Wie lange hast du das schon gewußt?«
»Mhm, so ungefähr seit einer Woche«, erwiderte sie müde. »Ich hatte vor, es dir erst nach dem Gewinn dieses blöden Preises für dein noch blöderes Stück zu erzählen. Weil ich gehofft hatte, du hättest dann gute Laune. Aber das sieht dir ähnlich, alles zu vermurksen.«
»Ach, darum ging es also die ganze Zeit, du falsches Luder«, entgegnete ich ungehalten, und Zorn wallte plötzlich in mir auf. »Dieses ganze…«
»Dieses ganze… was?«
»Das da zum Beispiel«, antwortete ich und trat den Umhang, den sie für mich gewebt hatte, mit dem Fuß quer durch den Raum. »Du hast nur deine Zeit verschwendet, wenn du den eigens für mich gemacht hast.«
»Ach, wirklich?« Phaidra stand jetzt ganz still da und blickte mich so durchdringend an, daß ich ihr nicht in die Augen sehen konnte.
»Ja«, erwiderte ich mit fester Stimme. »Hör mal, es ist ganz klar, daß es mit uns beiden niemals klappen wird, und deshalb halte ich es für angebracht, wenn wir uns von jetzt an einfach aus dem Weg gehen, wie wir es schon früher erfolgreich praktiziert
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