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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Inschrift auf diesen verflixten Bronzezylindern) und wollte mich schon aus dem Staub machen.
    »Das ist also dein berühmter Heerführer, Sohn des Euchoros«, grummelte der Archon schwerfällig – er hatte jenes Stadium der Enthemmung erreicht, das leicht mit Trunkenheit verwechselt werden kann. »Leg dich hin, und trink einen Becher mit uns! Wir haben schon alle von deinem phantastischen Stück gehört, nicht wahr, meine Freunde?«
    Seine Gäste murmelten, ganz gewiß hätten sie das, und ich begann zu schwitzen. Ich hatte das Gefühl, noch einmal auf diesem Hohlweg auf Samos zu sein, nur war der Feind diesmal durchaus in Reichweite.
    »Gib ein paar Zeilen zum besten«, forderte mich Kleonymos auf, wobei er sich Austernsoße vom Kinn wischte. »Mir steht der Sinn nach etwas Dichtung.«
    »Das ist doch Quatsch!« meldete sich Kleon zu Wort. »Schließlich ist es noch früh, und wir haben den Verfasser hier. Also laßt uns das ganze Stück hören. Du hast doch heute nacht Zeit, Eupolis, oder?«
    Ich stammelte etwas von einer Feier, zu der ich zu kommen versprochen hätte, und daß ich wirklich schon viel zu spät dran sei.
    »Das trifft sich doch gut«, meinte jemand. »Wenn du sowieso schon zu spät dran bist, gehst du besser überhaupt nicht mehr hin. Zu spät zu kommen, ist eine Unsitte. Also bleib hier, und laß uns dein Stück hören. Gibt es darin nicht auch eine Szene mit einer alten Frau und einem Linsentopf?«
    Ich verfluchte leise meine Mutter, mich jemals geboren zu haben, setzte mich auf eine Liege und schluckte den Becher mit dem starken Wein, den mir jemand gereicht hatte, in einem Zug hinunter. Dann zog ich umständlich die Rolle aus der Hülse (was war damals bloß in mich gefahren, diese dämlichen Bronzezylinder zu bestellen?) und rollte sie über den Knien auseinander. Natürlich schaute ich nicht drauf, da ich mein Stück bereits auswendig konnte, und Kleonymos erzählte mir später, daß ich sie vor Aufregung auf dem Kopf gehalten hätte.
    Die Anfangsszene kam sehr gut an, und besonders Kleon lachte über den alten Witz, der auf die Größe seiner Geschlechtsteile anspielte – was Politikerinstinkt gewesen sein muß, denn es war ein ganz und gar nicht komischer Witz, den ich nur eingefügt hatte, weil mittlerweile solch ein Scherz in der Anfangsszene einer Komödie gewissermaßen obligatorisch war. Auch der Auftritt des Chors wurde begeistert aufgenommen. Es erschien mir alles ganz furchtbar, denn als nächstes waren jeden Moment die wirklich unverzeihlichen persönlichen Angriffe an der Reihe, und ich fürchtete, einige der Gäste würden mir mit den Fleischmessern die Ohren abschneiden. Ich wagte nicht aufzublicken; statt dessen kauerte ich mich über der Rolle zusammen und versuchte, das Stück so gut wie möglich vorzutragen. Meine Lieblingszeilen, die ich seit der Zeit gehegt und gepflegt hatte, als sie nur wenig mehr als eine plappernde Lautfolge in meinem Kopf gewesen waren, rasselten mir von der Zunge, wie Oliven aus einem löchrigen Korb fallen, und ich wünschte mir damals, ich hätte sie nie geschrieben.
    Die Kleonymos-Szene kam und ging, woraufhin die Szene folgte, in der Hyperbolos seine Großmutter an den Aufseher des Steinbruchs für ein Pfund Salz und zwei Knoblauchzehen verkauft, und noch immer lachten alle Anwesenden. Ich wollte gerade mit der Kleon-Szene anfangen, als mir der Betreffende selbst die Hand auf den Arm legte und fragte: »Komme ich darin vor?«
    Kleon, der einzige Mensch in der Geschichte, der jemals einen Komödiendichter angezeigt hatte. »Ja«, antwortete ich wahrheitsgemäß, wobei ich gebannt auf die Schriftrolle starrte.
    »Hast du eine Abschrift übrig?« fragte er mich. Ich gab ihm eine, und er fand die Stelle. Dann forderte er mich durch einen Wink auf fortzufahren. Plötzlich hörte ich seine Stimme – er las seine eigene Rolle mit und brüllte dabei vor Lachen.
    »Das ist wirklich gut!« rief er immer wieder begeistert dazwischen. »Rede ich tatsächlich so?«
    »Ja«, bestätigte Kleonymos. »Nun mach endlich weiter, Eupolis! Nach den Prügeln, die ich gerade bezogen habe, genieße ich das, was gerade dran ist, in vollen Zügen.«
    Irgendwie kämpfte ich mich bis zum Schluß durch, und als ich fertig war, klopften mir alle auf den Rücken, bis ich glaubte, mir bräche das Rückgrat.
    »Eupolis von Pallene«, sagte der Archon feierlich, »gehe ich recht in der Annahme, daß du mich um einen Chor bei den Städtischen Dionysien ersuchst?«
    »Ja«,

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