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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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fallen. »Nun sieh dir an, wozu du mich getrieben hast«, zitierte ich aus meinem Stück.
    »Ach, sehr komisch«, erwiderte Phaidra sauer. Dann ging sie in den Innenraum und knallte die Tür hinter sich zu. Ich hob mein Schwert auf und hängte es vorsichtig an die Wand zurück. Dann folgte ich ihr.
    »Deine Statue von Klytaimnestra ist ganz mit Knoblauch und Pilzen bekleckert«, sagte ich. »Hilf mir bitte aus den Sandalen heraus. Sei so nett, ja?«
    Sie warf mir einen bitterbösen Blick zu, öffnete dann die Riemen und warf die Sandalen in die Ecke des Raums. »Du stinkst wie eine Weinpresse!« fauchte sie mich an. »Hast du dich geschlagen?«
    »Ich bin beraubt worden«, antwortete ich, »aber immerhin bekomme ich einen eigenen Chor.«
    »Da ist ja Blut auf deiner Stirn«, stellte sie mit Entsetzen fest. »Warte, ich hole Wasser.«
    »Mach dir keine Umstände. Sag mal, hast du eigentlich wirklich zwanzig Drachmen für einen Wandteppich bezahlt?«
    Phaidra errötete und murmelte: »Das war ein günstiges Angebot. Echter Sidonier. Davon gibt es in ganz Athen nur zwei oder drei.«
    »Quatsch! Die werden zu Tausenden in Korinth geknüpft und von den Ägineten als Ballast hierher verschifft. Zwanzig Drachmen!«
    Dann versuchte Phaidra, mich zu küssen, aber ich schob sie weg. »Nicht, bevor ich mein Testament aufgesetzt habe«, wehrte ich mich, und ihr finsterer Blick geriet ganz leicht ins Wanken.
    »Ich hatte nicht damit gerechnet, daß du nach Hause kommst«, konterte sie. »Denn wenn das der Fall gewesen wäre, hätte ich auf dich gewartet, und zwar mit einer Axt, wie Klytaimnestra.«
    »Freust du dich nicht, daß ich meinen Chor habe?« wollte ich wissen, während ich mir den durchnäßten Chiton über den Kopf zog.
    »Wenn es dich glücklich macht«, antwortete sie, goß Wasser in einen Becher und reichte ihn mir, »und vorausgesetzt, es hält dich vom Haus fern, dann freue ich mich. Ich vertraue übrigens darauf, daß du dich wäschst, bevor du ins Bett kommst. Ich bin vielleicht eine Schlampe, aber wenigstens bin ich eine saubere Schlampe.«
    »Du bist die sauberste Schlampe in ganz Athen«, bemerkte ich mit einem Gähnen. »Aber ich bin zu müde, um mich jetzt zu waschen. Außerdem entzieht das der Haut all die natürlichen Fette, die für die gesunde Hautfarbe verantwortlich sind.«
    »Du bist nicht besser als ein Schwein«, meckerte sie mich an. »Wäschst du dich eigentlich auch manchmal, wenn du auf dem Land bist?«
    »Nie.«
    Sie ließ das Haar über die Schultern fallen wie neuen Wein, der in eine Elfenbeinschale gegossen wird. »Du hast wie ein Vollidiot ausgesehen, als du eben in der Tür gestanden und mit dem Schwert herumgefuchtelt hast. Ehrlich, ich habe mich vor diesen Leuten richtig für dich geschämt. Morgen früh weiß das die ganze Stadt.«
    »Es ist bereits morgens«, entgegnete ich. »Und als erstes muß ich los und Philonides den Chorlehrer sprechen.«
    »Also gut«, lenkte sie ein und ließ die Tischdecke um ihre Knöchel fallen. »Dann solltest du jetzt lieber noch ein wenig schlafen.«
    »Wozu die Mühe? Dazu ist es jetzt sowieso schon zu spät.«

10. KAPITEL

     
    Wie ich annehme, kommen Sie nun auf den Gedanken, dabei habe es sich um eine Versöhnung gehandelt, und zukünftig werde im Haus alles zum besten stehen. So verhält es sich aber nicht. Ich denke nicht, daß wir uns von da an gegenseitig weniger haßten; vielmehr glaube ich, daß wir allmählich Gefallen daran fanden, uns zu streiten. Zunächst einmal hatten wir voreinander keine Angst mehr, und unsere Ehe entwickelte sich zu einer Art Kleinkrieg, der natürlich das Herzstück einer jeden guten Komödie ist. Wie ich schon bald feststellen konnte, verbrachte ich immer mehr Zeit zu Hause, obwohl das zumindest teilweise nur daran lag, weil ich mich in diesem Stadtteil aufhalten mußte, um mit Philonides an dem Stück zu arbeiten. Phaidra und ich bekämpften uns die ganze Zeit, Tag und Nacht, und dennoch schienen wir einen höchst eigenartigen Konflikt miteinander auszufechten. Eigentlich erinnerte er mich an ihre beiden spartanischen Hunde, die sich ständig gegenseitig an die Kehle sprangen – Blut, zerbrochenes Geschirr und nichtendenwollender Lärm. Aber als einer der beiden auf der Straße von einem Karren überfahren wurde, weigerte sich der andere zu fressen, starb kurz darauf und ließ mich um dreißig Drachmen ärmer zurück. Ich verstehe nicht, was Menschen an Hunden finden. Nikias, Sohn des Nikeratos, wurde offiziell

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