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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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stimmte, hätte mir allerdings spätestens kommen müssen, als Phaidra eine Art Verwandlung durchzumachen schien. Zuerst war es nicht mehr als ein Lächeln statt eines wütenden Blicks, wenn ich abends nach Hause kam, und ich war wahrscheinlich zu gedankenverloren, um es zu bemerken. Aber dann verschwand die Statue Klytaimnestras, und an ihrer Stelle befand sich ein praller Lederbeutel voller Silbermünzen; schließlich wüßte sie, wie sehr ich die Statue gehaßt hätte, erzählte sie mir, und Philanders Frau habe sie doch so gut gefallen… Etwa zur gleichen Zeit hatte der Hausaffe einen rätselhaften Unfall, und Phaidra redete ganz ernsthaft davon, mit mir nach Pallene zu kommen, da sie sich tief im Herzen auf dem Land mehr zu Hause fühle. Außerdem bekräftigte sie mit Entschiedenheit, ich könne mit dem Aufsetzen des Testaments so lange warten, wie ich wolle.
    Jung und töricht, wie ich war, erklärte ich mir das alles rational einfach als eine weitere Komponente meines Glücks, das zu jener Zeit anscheinend nicht aufzuhalten war. Zudem ging Phaidra nach dem Prinzip ›die Klügere gibt nach‹ vor, oder vielleicht war auch nur die Anstrengung zuviel für sie; jedenfalls fochten wir zwar nach wie vor ohne ersichtlichen Grund atemberaubende Zweikämpfe miteinander aus, nur sehr viel seltener. Ich für meinen Teil bekam dabei insgeheim immer mehr das Gefühl, daß es besser sei, diesen Kleinkrieg endlich ganz zu beenden. Für mich wurde es von Tag zu Tag schwerer, die notwendige Portion Haß gegen sie aufzubringen, und im Innern fürchtete ich bereits, daß unsere Auseinandersetzungen in Zukunft ein wenig einseitig werden könnten.
    Dann fragte sie mich immer häufiger, wie wir mit dem Stück vorankämen. Das schockierte mich wirklich, denn wenn sie sich früher einmal dazu herabgelassen hatte, das Stück zu erwähnen, war ihr der Titel jedesmal so über die Lippen gekommen, als wäre er eine schlechte Olive. Zunächst handelte es sich dabei nur um ein gelegentliches, leicht spöttisches Nachfragen, so wie man ein kleines Kind nach dem Befinden seines Lieblingswurms fragt oder ob es noch mehr von diesen kleinen Fröschen aus Schlamm und Granatapfelschale gemacht habe. Doch dann wollte sie etwas über die Chorkostüme erfahren (und wenn mein Chor purpurnen Stoff trage, warum sie dann keinen bekäme), und ob es wahr sei, daß ich furchtbare Dinge über Kleon gesagt habe, den einzigen ehrlichen Mann in Athen? Von dort war es nur noch ein kurzer Schritt zu der Bitte, ein paar der Reden vorzutragen; und obwohl sie so tat, als schliefe sie ein, sah ich, daß ihre Augen einen ganz kleinen Spalt offen waren und mir durch den Raum folgten, während ich den kompletten Ablauf des Stückes durchging. Zum Schluß versprach ich ihr, sie zu der Probe in der nächsten Woche mitzunehmen. Sie erwiderte daraufhin, das sei sehr nett, zumal sie gerade von ihrem Vater eine Abschrift der Thebais geschickt bekommen habe. Auf diese Weise könne sie endlich die Zeit finden, sie zu lesen, bei der ganzen Hausarbeit, die sie zu verrichten habe.
    Als wir später vom Theater nach Hause gingen, fragte ich Phaidra, was sie von dem Stück halte. Sie rümpfte die Nase, als ob sie ranziges Öl röche.
    »Worum soll es darin eigentlich gehen?« fragte sie.
    Ich ging nicht darauf ein und fragte zurück: »Wie haben dir die Chorkostüme gefallen?«
    »Darüber wollte ich gerade mit dir sprechen«, entgegnete sie. »Ich dachte, du hättest gesagt, die sollten wie Trieren aussehen. Oder handelt es sich dabei um einen anderen Chor, der später auftritt?«
    Ich lächelte nachsichtig und antwortete mit ruhiger Stimme: »Ich glaube, es ist Simonides, der sagt – soweit ich mich erinnern kann in Die Bosheit der Frauen –, daß ein Mann kein größeres Geschenk bekommen kann als eine dumme Ehefrau. Haben dir die kleinen Räder daran nicht gefallen? Wenn du mich fragst, war das ein Geniestreich.«
    »Wie lange wird es dauern, bis die ohne diese Räder aufrecht stehen können?« wollte Phaidra wissen. »Wenn die erst mal abgenommen werden, sehen die Kostüme vielleicht ganz realistisch aus.«
    Ich blieb stehen, gab ihr einen Kuß und sagte: »Du hast mal wieder Petersilie gegessen. Wenn du nachmittags trinken willst, dann tu das einfach. Ich kann es auch durch die Petersilie hindurch riechen, also brauchst du dir in Zukunft um deinen Mundgeruch keine Sorgen zu machen.«
    »Diesen Wein aus Pallene würde ich nicht mal trinken, wenn ich mitten in Ägypten

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