Der Zirkus der Abenteur
die Treppe hinunter und öffnete die Tür. Vor ihr standen die Fremden.
Der Mann lüftete den Hut. »Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sagte er höflich. »Meine Frau ist leidend und wurde auf unserem Spaziergang von einer plötzlichen Schwäche überfallen. Könnten Sie ihr wohl ein Glas Wasser geben?«
»Selbstverständlich«, antwortete Frau Cunningham freundlich. »Kommen Sie bitte herein.« Sie führte die Fremden ins Wohnzimmer. Die Frau sank sofort in einen Sessel und schloß erschöpft die Augen.
»Meine Frau ist sehr krank gewesen«, erklärte der Mann. »Wir befinden uns zur Erholung auf dem Eulenhof.
Dort hat sie Ruhe, frische Luft und gutes Essen. Es ist besser als im Hotel. Aber wir hätten am ersten Tag nicht gleich so weit gehen sollen.«
Frau Cunningham sprach ein paar teilnehmende Worte. »Dina!« rief sie dann. »Bring bitte etwas frisches Wasser und ein Glas.«
Dina lief in die Küche und erschien gleich darauf mit einem Tablett, auf dem eine Karaffe mit eiskaltem Wasser und ein Glas standen. Neugierig musterte sie die Fremden.
»Ist das Ihre Tochter?« fragte die junge Frau. »Was für ein hübsches Mädchen! Haben Sie noch mehr Kinder?«
»Ja, ich habe noch einen Sohn und zwei Adoptivkin-der«, antwortete Frau Cunningham. »Hol deine Geschwister her, Dina.«
Dina ging hinaus und kam nach einem Weilchen mit Lucy, Philipp und Jack zurück. Die junge Frau schrie leise auf, als sie Kiki auf Jacks Schulter erblickte. »Ein Papagei!
Halt ihn bitte fest!«
»Wisch dir die Füße ab!« rief Kiki. »Mach die Tür zu!«
Die Frau fuhr überrascht zurück und sagte etwas in einer fremden Sprache zu ihrem Mann.
Der Mann lachte. »Meine Frau meint, der Papagei könnte Leute mit schlechten Manieren erziehen. So, dies sind also Ihre Kinder. Aber haben Sie nicht fünf?«
»Nein, ich habe nur vier.«
Die Frau trank einen Schluck Wasser. »Frau Ellis sprach doch noch von einem kleinen Jungen.«
Frau Cunningham bot ihr eine Zigarette an, um das Gespräch von dem »kleinen Jungen« abzulenken. Aber die Fremde blieb hartnäckig. »Haben Sie vielleicht noch einen Knaben zu Besuch?« fragte sie mit einem unschuldigen Lächeln.
»Ach, Frau Ellis meinte wohl Gussel. Ja, Gussel ver-bringt seine Ferien bei uns.«
»Dürfen wir ihn nicht auch begrüßen?« fragte die Fremde. »Ich liebe Kinder und möchte ihn gerne kennenlernen.«
»Weiß jemand von euch, wo er ist?« fragte Frau Cunningham die Kinder. Die vier hörten aus ihrem Tonfall heraus, daß sie nichts wissen sollten. Sie wußten ja auch wirklich nicht, wo Gus sich in diesem Augenblick befand, nämlich in dem großen Kleiderschrank, der oben im Flur stand. Er hatte sich nach dem ersten Klopfen an der Haustür verkrochen. Bill ließ ihn gewähren. Vielleicht war es ganz gut so.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Jack. »Weißt du, wo er steckt, Philipp?«
»Nein.« Philipp zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich treibt er sich im Wald herum.«
»Ach, er geht wohl gern allein spazieren«, sagte der Mann. »Nun, vielleicht treffen wir ihn auf dem Rückweg.
Vielen Dank für die freundliche Hilfe, meine Dame. Darf ich Ihnen etwas geben, damit sich die Kinder Eiswaffeln kaufen können? Der fehlende Gussel soll natürlich nicht leer ausgehen.« Er legte fünf neue Zehnschillingnoten auf den Tisch.
Die Kinder waren maßlos erstaunt. Frau Cunningham schob das Geld unwillig zurück. »Nein, danke, das kann ich nicht annehmen. Sie haben doch nur ein Glas Wasser bei uns bekommen.«
Ein wenig verlegen steckte der Mann die Scheine wieder in seine Tasche. »Nun, wie Sie wollen. In meiner Heimat gilt es als höflich, eine Freundlichkeit zu vergelten.«
»Wo ist ihre Heimat?« fragte Jack in der Hoffnung, etwas zu erfahren.
Der Mann zögerte ein wenig mit der Antwort. Seine Frau warf ihm einen Blick zu. »Meine Heimat — ach, ich stamme aus Italien. Es ist ein schönes Land. Komm, meine Liebe, wir müssen gehen.«
Die beiden standen auf und verabschiedeten sich.
Draußen ließen sie ihre Augen verstohlen umherschwei-fen. Offenbar hätten sie gar zu gern noch einen Blick auf Gussel geworfen. Als sie die Gartentür erreicht hatten, rief Frau Cunningham ihnen etwas nach.
Der Mann wandte sich fragend um. »Wie bitte? Ich ha-be Sie nicht verstanden.«
Sie wiederholte den Satz. Er blickte sie verständnislos an, verbeugte sich noch einmal und ging mit seiner Frau davon.
»Italiener ist er jedenfalls nicht«, sagte Frau Cunningham nachdenklich. »Ich
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