Der Zirkus der Abenteur
ahmte Kiki den heiseren Schrei naturgetreu nach, so daß Jack erschreckt zusammenfuhr.
»Halt den Schnabel, Kiki«, flüsterte er wütend. »Du wirst die Eule zu uns locken. Aha, da kommt sie schon.«
Eine große Schleiereule stieß dicht neben Jack zu Boden. Er duckte sich. Auch Kiki zog den Kopf ein. Gar zu gern hätte er noch einen zweiten Eulenschrei ausgestoßen, denn er liebte es, andere Vögel zu necken. Aber Jack hatte es ihm verboten. Er schwieg ein wenig verärgert. Die Jungens horchten angespannt in die Nacht hinaus. Jack stieß Philipp an. Ein kleines, sehr schlankes Tierchen huschte an ihnen vorüber.
»Ein Wiesel«, flüsterte Philipp. »Und was kommt da?
Ach, es ist ein Igel.«
Der Igel steuerte neugierig auf die Jungens zu. Er konnte sich die schwarzen Schatten unter dem Busch nicht recht erklären. Furchtlos kam er immer näher. Als Philipp seine Hand ausstreckte, beschnüffelte er sie aufmerksam. Jack erwartete jeden Augenblick, daß er auf Philipps Knie klettern würde. Alle Tiere hatten unbe-grenztes Vertrauen zu dem Knaben. Aber der Igel war hungrig und lief davon, um nach Schnecken zu suchen, die seine Lieblingsspeise waren. Er bewegte sich wie ein aufgezogenes Spielzeug. Die Jungen sahen ihm lächelnd nach. Und dann erblickten sie plötzlich einen Dachs.
Philipp wagte kaum zu atmen. Das Tier war ziemlich groß. Sie hatten es gar nicht kommen sehen. Plötzlich stand es im hellen Mondlicht vor ihnen und schnupperte mißtrauisch. Waren auch keine Feinde in der Nähe?
Aber der Wind wehte zu den Knaben hin, und so konnte der Dachs sie nicht wittern. Er war schwer zu erkennen, denn sein schwarzweiß gestreifter Kopf paßte sich dem scharfen Hell und Dunkel der Mondnacht an.
»Eine fabelhafte Tarnung«, flüsterte Philipp. Jack nickte.
Dann stieß er Philipp an. Zwei junge Dachse erschienen neben dem alten. Ach, das war wohl ein Familienausflug.
Nun tauchte auch Mutter Dachs im Hintergrunde auf.
Die jungen Dachse waren sehr verspielt. Sie tollten ausgelassen umher, sprangen mit allen vieren zugleich in die Luft und hüpften wie kleine Pelzbälle auf und nieder.
Und dann sprang der eine dem anderen auf den Rücken, aber dieser schlug rasch einen Purzelbaum und hatte im nächsten Augenblick seinen Spielgefährten unter sich.
Dieses Koppheisterspiel schien ihnen besonders zu gefallen, und sie spielten es mit großer Hingabe. Doch nach einer Weile stießen die alten ein lautes Grunzen aus und entfernten sich. Sofort hörten die jungen auf zu spielen und folgten ihnen.
Jack lachte leise. »So etwas Niedliches habe ich noch nie gesehen. Spielen eigentlich alle jungen Dachse das Koppheisterspiel?«
»Ja, ich habe schon davon gehört. Ein Förster erzählte mir mal, daß erwachsene Dachse auf diese Weise eine Falle sprengen können. Sie springen hinauf, so daß sie zuschnappt, und ziehen sich dann den Köder zu Gemüte.
Meistens verlieren sie nur ein paar Rückenhaare dabei.«
Eine Waldohreule heulte, und gleich darauf kreischte eine Schleiereule. Kiki wurde unruhig. Es fiel ihm schwer, sich so lange still zu verhalten.
Philipp stand gähnend auf. »Ich werde jetzt nach Hause gehen. Wenn ich hier noch länger sitzenbleibe, schlafe ich womöglich ein. Kommst du mit, Jack?«
»Ich möchte noch ein wenig in dem Steinbruch umher-strolchen und nach Eulen Ausschau halten. Auch hat Kiki eine Belohung dafür verdient, daß er so lange still war. Er sehnt sich danach, den Eulenschrei zu probieren. Ich bin neugierig, ob die Eulen ihm antworten werden.«
Kiki murmelte etwas Unverständliches. Jack stand auf und reckte sich. »Gute Nacht, Philipp! Ich komme bald nach. Wundere dich nicht, wenn du gleich einen ganzen Chor von Eulen hörst.«
Während Jack den Weg zum Steinbruch einschlug, ging Philipp zur Steinhütte zurück. Die beiden Jungens ahnten nicht, welche Aufregungen ihnen in dieser Nacht noch bevorstanden.
Gefangen
Als Philipp durch die Hintertür ins Haus schlüpfen wollte, hörte er plötzlich ein Geräusch. Er blieb stehen und horchte. Leise Schritte kamen durch den Vorgarten auf die Haustür zu.
Den Jungen beschlich ein unheimliches Gefühl. Wer mochte der nächtliche Besucher sein? Wollte er Gus entführen? Das durfte auf keinen Fall geschehen. Er mußte Bill wecken und ihn warnen. Eilig schlüpfte er in die Diele und rannte die Treppe hinauf. Als er ein Ge-räusch hinter sich hörte, blickte er zurück. Die Haustür öffnete sich mit einem leisen Quietschen. Eine Taschenlampe
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