Der zögernde Schwertkämpfer
machen, den man optimistischerweise zu Segelohrs Beförderungsprüfung herbeibeordert hatte. »Ich verbürge mich für den Adepten Nnanji!« Dann sah er Wallie mit zusammengekniffenen Augen an. »Noch etwas?«
Wallie schüttelte den Kopf – eine schweigende Herausforderung wurde zurückgezogen. Tarru wandte sich erneut zum Gehen.
Die Menge der Schaulustigen löste sich wie Nebel auf. Trasingji gab dem Gesichtszeichner durch ein Kopfnicken sein Einverständnis zu erkennen und folgte den anderen. Jetzt war der Hof leer, mit Ausnahme von Gorramini, der winselnd seine letzten Atemzüge tat und sich in einer Lache seines Blutes und herausgetretener Eingeweide krümmte; Ghaniri kniete weinend neben ihm, während Nnanji, immer noch mit dem Schwert in der Hand, dastand und einen ungerührten und zufriedenen Eindruck machte. Der Gesichtszeichner verharrte nervös in einiger Entfernung. Der Heilkundige entfernte sich hurtig, mit steifen Schritten.
»Herzlichen Glückwunsch, Adept.« Wallie konnte die Verbitterung in seiner Stimme nicht verhehlen.
Nnanji strahlte. »Ich danke Euch, mein Gebieter. Macht Ihr Euch denn keine Kerben in den Schulterriemen?«
»Nein«, sagte Wallie. Er hatte das Gefühl, daß Gorramini die Frage gehört hatte.
»Dann werde ich es auch nicht tun.« Nnanji wartete auf den Tod seines Opfers, damit er dessen Schwert an sich nehmen konnte.
Kein Wort, dachte Wallie – kein einziges Wort des Bedauerns!
Eine einsame Gestalt trat vor, um dem Sieger die Hand zu schütteln. Nnanji grinste freudig und nahm Brius Glückwünsche entgegen. Briu sah Wallie feindselig an, entbot den Faust-aufs-Herz-Gruß und marschierte davon. Alles, was Wallie tat, schien Briu zu demütigen, selbst diese dramatische Verwandlung eines Schülers, mit dem er sich jahrelang vergebens abgemüht hatte.
Die Qualen des Sterbenden fanden schließlich ihr Ende. Ghaniri drückte seinem Freund die Augen zu. Als er sich erhob, trat Nnanji heran, um sein Schwert an dem Leichnam abzuwischen – so hatte es Lord Shonsu bei Hardduju gemacht. Dann drehte er sich erwartungsvoll zu seinem Sekundanten um. Widerwillig bückte sich Wallie, um Gorraminis Schwert aufzuheben. Er kniete nieder und bot es dem Sieger dar.
Nnanji nahm es an und betrachtete es anerkennend. »Hübsches Stückchen Metall«, sagte er.
Aus dem Eleven Nnanji, der nun zwei weitere Gesichtsmale und außerdem eine Einweisung von Wallie in die Geheimzeichen der Dritten und Vierten Stufe erhalten hatte, war der Adept Nnanji geworden, Schwertkämpfer der Vierten Stufe. Jetzt mußte er der Rolle auch in der entsprechenden äußeren Aufmachung gerecht werden.
Die Schneiderwerkstatt war ein schäbiger, unordentlicher Raum in einem entlegenen Winkel des Geländes. Dort kaufte er einen orangefarbenen Kilt und eine Haarspange mit einem orangefarbenen Stein. Sein Held trug einen Stein, also hatte es damit seine Richtigkeit. Die Farbe Orange paßte nicht gut zu seinem roten Haar, doch diese Kombination ließ ihn wie einen jungen Feuergott erscheinen, der vor ungeheurer Zufriedenheit glühte. Er stand da und bewunderte sich in einem Spiegel, und obwohl seine Schrammen und Schnitte immer noch sichtbar waren, empfand er sich selbst als ruhmreichen Viertstufler. Er hatte noch kein Wort über Gorramini verloren, auch jetzt noch nicht.
Wallie sah ihn voller Traurigkeit und Zweifel an. Gekleidet in die Gewandung der mittleren Stufe und angefüllt mit einem neuen Selbstvertrauen, schien Nnanji um viele Jahre älter als damals am ersten Tag am Ufer des Teiches. Er wirkte sogar größer, und seine Körperhaltung war gestrafft. Auf Wallie machte er nicht mehr den Eindruck eines ungelenken Tolpatsches. Vielleicht hatte das damals an seinen unverhältnismäßig großen Händen und Füßen gelegen. Wenn er in ein paar Jahren in die Breite gehen würde, wäre Nnanji ein sehr stattlicher Mann. Der staksige Jugendliche hatte sich auf einmal zu einem äußerst gefährlichen jungen Mann entwickelt.
Er beendete seine Selbstanbetung vor dem Spiegel und drehte sich zu Wallie um.
»Darf ich mich Euch erneut durch den Eid verpflichten, mein Gebieter?«
»Selbstverständlich.« Der zweite Eid erlosch bei einer Beförderung.
Anscheinend war eine Schneiderwerkstatt durchaus der geeignete Ort zum Ablegen eines Eids – sofort zog Nnanji sein Schwert, fiel auf die Knie und wurde wieder zum Schützling Lord Shonsus. Sein Grinsen war so hartnäckig, daß er erhebliche Schwierigkeiten hatte, es selbst für
Weitere Kostenlose Bücher