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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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einen Moment inne, um seine Erinnerung aufzufrischen – oder um sich zu vergewissern, daß er entscheidende Anklagepunkte vortragen konnte. Der schiefe Eindruck, den sein Gesicht machte, beruhte auf einer Narbe, die einen Mundwinkel in die Höhe zog – vielleicht hatte er in Wirklichkeit nicht die Spur von Humor. Wenn ihn sein Mentor verurteilte, würde dann Wallie der Sklave dieses Mannes? Nein, hier handelte es sich um Schwerverbrechen, die die Todesstrafe verlangten.
    »Ich habe beobachtet, wie Lord Shonsu diese Männer ohne formgerechte Herausforderung angriff. Ich habe beobachtet, wie er diesen mit einem Dolch erstach, und diesen ebenfalls.« Er zuckte mit den Schultern, um anzudeuten, daß diese Anklagepunkte wohl fürs erste genügen müßten.
    Imperkanni wandte sich an Wallie. »Habt Ihr etwas zu Eurer Verteidigung vorzubringen?«
    »Eine ganze Menge, mein Lord.« Wallie lächelte, um zu zeigen, daß er sich nicht schuldig fühlte. »Der Ehrenwerte Yoningu hat einen ausgelassen, glaube ich.« Er deutete zwischen den an der Tür Wache haltenden Schwertkämpfern hindurch auf die Leiche des Zweitstuflers draußen. Bei ihm handelte es sich in Wallies Augen tatsächlich um ein Schwerverbrechen, und nur bei ihm.
    Yoningu sah ihn wütend an, als ob Wallie die Zeit des Gerichtes mit Belanglosigkeiten verschwende. »Dieser Mann ist davongelaufen«, sagte er.
    Die Woge eines Kulturschocks brach über Wallie zusammen, so daß ihm vorübergehend die Luft wegblieb. Indem er weggelaufen war, hatte der Junge sein Recht verwirkt, gerächt zu werden. Und doch war das nach kurzem Nachdenken für Wallie ein schwacher Trost, denn der andere Zweitstufler hatte angehalten und sich unterworfen, und das hatte ausgereicht, um den Mechanismus zur Kontrolle Shonsus auszulösen und dem Berserker Einhalt zu gebieten. Kein großer Trost, doch immerhin etwas. Der erste Junge wäre auch noch am Leben, wenn er sich an das erinnert hätte, was er gelernt hatte.
    Das Gericht wartete auf ihn.
    »Darf ich die gegen Nnanji erhobenen Anklagepunkte hören, bitte? Dann werden wir mit unserer Verteidigung beginnen.«
    Imperkanni nickte. Nnanji unterbrach seine eingehende Erforschung des Fußbodens und sah auf, um sich mit verbitterter Miene dem Geschehen zu widmen.
    Yoningu zögerte beim ersten Mann, den Nnanji getötet hatte, beschloß, diesen außer acht zu lassen, und deutete mit einer lässigen Bewegung auf die Leiche von Ghaniri. »Ich habe beobachtet, wie der Adept Nnanji von hinten auf diesen Mann einhieb, während jener bereits mit einem anderen kämpfte.«
    Nnanji senkte den Blick wieder.
    »Eure Verteidigung, mein Lord?« fragte Imperkanni Wallie. Sein Verhalten drückte aus, daß Wallie gut daran täte, sich überzeugend zu verteidigen.
    »Ich glaube, auch Adept Nnanji hat einige Anklagepunkte gegen mich vorzubringen«, sagte Wallie ungerührt.
    Das erzielte den gewünschten Schockeffekt, doch Imperkanni gewann schnell die Fassung zurück. »Adept Nnanji?«
    Nnanji blickte wieder auf. Er starrte Wallie mit mehr Schmerz und Zerknirschung an, als ein Mensch eigentlich zu ertragen vermochte. Als er anfing zu sprechen, kamen die Worte so leise heraus, daß er sich unterbrach und noch einmal begann. »Ich habe gesehen, wie Lord Shonsu heute morgen ohne Vorwarnung das Schwert gegen den Adepten Briu erhob. Ich sah, wie sich Lord Shonsu als Sklavin verkleidete.«
    Das erzielte einen noch größeren Schockeffekt. Wallie sah bedauernd zu Honakura hin. Ein Priester der Siebten Stufe könnte als unanfechtbarer Zeuge auftreten, doch der alte Mann saß immer noch zusammengesunken da wie eine Lumpenpuppe. Seine Augen waren halb geöffnet, doch es war nur das Weiße darin zu sehen. Vielleicht war er tot, vielleicht war er kurz davor zu sterben, aber auf jeden Fall erlaubte sein Zustand nicht, daß er als Zeuge aussagte.
    »Wir warten, mein Lord«, mahnte Imperkanni mit einem drohenden Unterton.
    »Seid Ihr vertraut mit der Legende über Chioxin?« fragte Wallie.
    »Nein«, sagte Imperkanni.
    Verflucht!
    Dann bemerkte er den Zweitstufler, den er verschont hatte. Er kauerte geduckt neben einem Pfosten, immer noch zitternd.
    »Laßt uns einen unabhängigen Zeugen anhören, mein Lord«, sagte Wallie. »Meine Geschichte ist ungewöhnlich, um es milde auszudrücken. Es wäre mir daran gelegen, sie bekräftigen zu lassen. He, du! Wie heißt du?«
    Der Zweitstufler rollte mit den Augen und sagte nichts. Einer der freien Schwerter, ein Viertstufler, ging zu ihm

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