Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
wiederzusehen, Vetter. Und natürlich, deine Freunde kennenzulernen. Trolle, wie?«
»Ja. Das sind Kerr, Zran und Wrag, der Tiefentroll. Grüße vom Voivoden. Ist Flores auch in der Stadt?«
»Nein. Sie wollte nach Wlachkis reisen, aber sie sollte schon längst zurück sein. Ich hatte gedacht, dass sie bei euch ist.«
Verwundert blickte Natiole die Menschin an. »Nein, wir wussten nicht einmal, dass sie kommen wollte. Vermutlich haben wir uns verpasst.«
Jetzt erkannte Kerr, an wen ihn die Menschin erinnerte. Sie hatte eine Haltung wie Şten. Oder wie seine Schwester Flores. Das muss ihr Kind sein.
33
Mit einem schmatzenden Geräusch löste sich die Beinschiene vom Oberschenkel des toten Marczegs. Obwohl Cornel sich ein Stück in Essig getränkten Tuchs um Mund und Nase geschlungen hatte, trieb der Geruch, der von dem verwesenden Fleisch aufstieg, ihn dazu, einige Schritte zurückzuweichen. Mit der Hand wedelte er etwas Weihrauch aus einer bereitstehenden Räucherschale in Richtung des Leichnams, bevor er sich dem Toten wieder näherte und sich über die bloßgelegte Wunde beugte.
Er war dankbar, dass Výclas nicht nur eingewilligt hatte, dass er den Pfeil im Bein des ermordeten Fürsten untersuchen konnte, sondern sich auch dazu bereit erklärt hatte, für sein Vorhaben die Kapelle zu schließen.
Das Letzte, was ich im Moment gebrauchen könnte, wäre eine Bande dieser Sziglos-Anhänger, die einen Wlachaken dabei überrascht, wie er den toten Körper ihres geliebten Herrschers schändet.
Cornel hatte genug gesehen, um zu wissen, dass sich mit jedem Tag, der verging, der verblendete Hass von Masriden und Wlachaken weiter steigerte, und er verspürte nicht die geringste Neigung dazu, hier in Turduj in eine ähnliche Situation zu geraten, wie Gharjaş sie in Teremi erlebt hatte.
Mit einem gebogenen Messer löste er vorsichtig Hautfetzen und gallertartige Masse vom Schaft des Pfeils, der tief in Tamár Békésars Bein eingedrungen war. Die Wunde war sicher nicht tödlich gewesen; zumindest nicht auf der Stelle. Vermutlich hatte der Marczeg den Pfeil selbst abgebrochen, damit er ihn nicht allzu sehr behinderte. Die
Schwert- und Axthiebe seiner Gegner waren es wohl gewesen, die ihn schließlich gefällt hatten.
Endlich erreichte Cornels Messer das metallische Ende des Pfeils. Obwohl es ihn Überwindung kostete, steckte Cornel zwei Finger in das klaffende graue Fleisch und löste die Spitze mit einem Ruck vom Knochen. Blut floss keines mehr, dafür war der Leichnam zu alt. Hastig schob Cornel danach die Metallschiene wieder über das Bein. So würde kein Masride, der nicht mehr als einen flüchtigen Blick auf den Toten warf, erkennen können, was vorgefallen war.
Mit einem Tuch rieb sich der Sonnenpriester die Hände ab, aber er wusste, dass er zumindest ein Bad benötigen würde, um sich auch nur halbwegs wieder sauber zu fühlen. Vorsichtig wickelte er die Pfeilspitze in ein Stück Leder und verstaute sie in seiner Tasche.
Dann entriegelte er die Tür der Kapelle und trat hinaus auf den nächtlichen Innenhof.
Výclas erwartete ihn bereits. Sein Gesicht zeigte eine Mischung aus Furcht, Ekel und Neugier.
»Und, Bruder? Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«, erkundigte er sich. Cornel nickte vage.
»Dann lass uns zurück zum Tempel gehen. Heute Nacht will Vikolyi Arkós zu uns kommen, und ein Höflichkeitsbesuch wird das sicher nicht. Vermutlich will er versuchen, den Albus Sunaş auf seine Seite zu ziehen, damit unser Orden seinen Anspruch auf den Thron des Marczegs unterstützt.«
Verwundert hob Cornel die Augenbrauen: »Und, wird der Albus Sunaş seinen Wünschen nachkommen?«
Výclas lächelte arrogant. »Das wird wohl ganz davon abhängen, was er uns im Gegenzug anbietet. Aber ich bezweifele, dass seine Angebote mit denen von Sziglos Békésar konkurrieren können.«
Darauf erwiderte Cornel nichts. Natürlich, grübelte er.
Der Orden verfügt über viel Macht in Ardoly. Ohne seine Unterstützung dürfte es allen Anwärtern schwerfallen, die Herrschaft zu erlangen.
Schweigend verließen sie die Burg und begaben sich in die Stadt hinunter. Selbst zu dieser nächtlichen Stunde waren die Straßen und Plätze Turdujs belebt, aber die Gestalten, denen sie begegneten, wirkten im Finsteren bedrohlicher als am Tage. Doch die beiden Sonnenpriester wurden nicht behelligt. Ob es an ihrer Kutte lag oder daran, dass das Straßengesindel einfachere Opfer bevorzugte, vermochte Cornel nicht zu sagen.
Helles
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