Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
gab unter ihm nach, er fiel zur Seite, konnte sich gerade noch auf den Schild stützen. Dann flammte der Schmerz durch seine Muskeln, vom Oberschenkel bis in den Bauch hinauf, und er stöhnte auf.
»Schützen«, rief Flores und warf sich neben ihm in Deckung. Mit zusammengebissenen Zähnen drehte sich Tamár herum, brachte den Schild zwischen Flores und die Dunkelheit, die in wenigen Momenten bedrohlicher als je zuvor geworden war. Mit der Rechten schob er den Helm herab.
»Mein Bein«, presste er hervor. In diesem Augenblick spürte er einen neuerlichen Schlag, diesmal gegen den Schild, dessen bereits durch den Kampf gemartertes Holz knirschte. »Wir brauchen Deckung.«
Zu ihrer Rechten schlug ein weiteres Geschoss in den
schlammigen Boden ein. Vorsichtig zog sich Tamár an dem Schild hoch, doch sein Bein rutschte unkontrolliert zur Seite. Mehr Pfeile flogen zischend in ihre Richtung, prallten auf. Mit festem Griff packte Flores Tamár am Rückenteil der Rüstung und zog ihn nach hinten. Mit dem unverletzten Bein stieß er sich ab und versuchte, ihr zu helfen. Immer wieder kratzte der Pfeil, der in seinem Bein steckte, über den Boden und sandte glühende Lanzen des Schmerzes durch sein Fleisch. Die wenigen Schritte bis zum Eingang der Hütte erschienen dem Masriden endlos, und er konnte nicht sagen, wie lange sie dafür brauchten. Neben ihnen drang ein Pfeil zitternd in den Rahmen der Tür ein, dann war Tamár endlich im Inneren, und Flores warf sich gegen die Tür, die mit einem hohlen Schlag zufiel. Zweimal noch erbebte sie unter Einschlägen, dann wurde es still.
Während Flores sich gegen die Tür lehnte und hingebungsvoll fluchte, zog Tamár die Hand aus der Schlaufe des Schilds und untersuchte sein Bein. Es war tatsächlich ein Pfeil, kein Bolzen, der am oberen Rand durch die Beinschiene in das Fleisch eingedrungen war und nun in seinem Oberschenkel steckte. Jede Berührung des Schafts schmerzte ungemein, und Blut drang aus der Wunde in pulsierenden Strömen hervor. Langsam rutschte der Marczeg weg von der Tür, tastete mit fahrigen Fingern an seinem Helm herum, der ihm den Atem nahm. Für einige qualvolle Momente glitten seine behandschuhten Finger immer wieder ab, dann hatte er den Helm endlich nach oben geschoben und holte tief Luft.
Flores schob den lächerlich klein wirkenden Riegel ins Schloss und sah sich hektisch in der Hütte um.
Während Tamár sich auf die Bettstatt hievte und dabei die Lippen zusammenpresste, um nicht zu schreien, schob die Wlachakin den schweren Holztisch vor die Tür und verkeilte ihn mit den Stühlen.
»Das wird niemanden lange aufhalten«, stellte sie dann mit einem Achselzucken fest.
»Wenigstens können sie uns bei dem Wetter nicht ausräuchern. Den wlachkischen Stürmen sei Dank!«
»Dein Bein …«
»Der Pfeil steckt. Reich mir den Schild. Ich will wissen, wer diese Bastarde waren.«
Sie folgte seiner Bitte, und Tamár riss den im Holz steckenden Pfeil mit einem Ruck heraus. Gemeinsam begutachteten sie die Spitze, die lang und schmal war.
»Kriegspfeil, gegen gepanzerte Feinde. Die kennen deine Kleidungsvorlieben, mein Lieber«, erklärte Flores und setzte sich neben ihn. Der Söldnerin war die kaum überstandene Gefahr deutlich anzusehen; ihre Rüstung war schlammbedeckt, Strähnen ihrer nassen Haare hatten sich aus dem Zopf gelöst und hingen ihr wirr ins Gesicht. Die Wunde an ihrem Arm blutete noch, doch sie schien sie nicht zu beachten. Tamár selbst sah nicht besser aus. Auf seiner Haut vermischten sich Schweiß, Regen, Schlamm und Blut, und er spürte die Anstrengung in allen Knochen. Sein Bein stand in Flammen, und ein dumpfer Schmerz zog sich bis zu seinem Bauchnabel.
»Rausziehen oder abschneiden?«, fragte Flores nicht ohne Mitgefühl. Seufzend gab ihr Tamár sein Messer.
»Mach eine Kerbe und brich ihn ab. Selbst ohne Widerhaken ist es besser, ihn erst einmal drinzulassen. Aber sei vorsichtig, ja?«
Sie nickte, doch als sie die Klinge ansetzte, schrie er doch. Es war, als würde sie nicht den Pfeil, sondern direkt sein Bein bearbeiten. Keuchend ließ sich Tamár nach hinten fallen, bis er auf dem Rücken lag.
»Bereit?«, fragte sie, doch noch bevor er antworten konnte, gab es einen Ruck, der weiß glühend durch Tamárs Leib fuhr. Seine Muskeln verkrampften sich, und er konnte nicht einmal schreien, sondern nur stöhnen. Das Licht im
Raum wurde dunkel, Schwärze troff in sein Sichtfeld, und der Regen verstummte. Dann riss ihn der Schmerz wieder
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