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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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des Todes endlich bewusst geworden, versagten seine Muskeln ihm den Dienst. Unvermittelt lag er auf dem Rücken, der Regen prasselte auf seinen Leib herab, rann in seine Augen und vermengte sich mit seinen Tränen.
    »Auf … den Dunklen … Pfaden, mein Herz.«
    Um ihn herum Gestalten, dunkel, ihn überragend. Eine hell, vom Licht der Hütte beschienen, das weiße Gewand unpassend an diesem Ort des Blutes.
    Jemand trat über ihn, verdeckte das Licht der Welt für Tamár Békésar und stieß ihm den Speer in die Brust. Sein letzter Gedanke galt Flores.

9
    O bwohl die Gesänge der Lobpreisung in wundervollen Harmonien durch den Raum schwebten, konnte Cornel sich nicht von seinen düsteren Gedanken befreien. Eigentlich waren die Choräle stets Balsam für seinen Geist, und sie gaben ihm jeden Morgen die Kraft, die Aufgaben zu meistern, die seine Position ihm auferlegte. Doch heute war er fahrig, unaufmerksam, und mehr als einmal verfehlte er den rechten Ton. Dabei war er ansonsten auf seine volle Stimme stolz, die selbst die größten Tempel füllen konnte und machtvoll das Lob des Göttlichen Lichts erschallen ließ.
    Vielleicht war es auch der diesige Morgen, der an allem schuld war. Am Himmel war die Sonne kaum zu erkennen; sie verbarg sich hinter faserigen Wolkenbändern, die ihr jede Leuchtkraft nahmen. Ist das geschwächte Licht ein Zeichen dafür, dass ich selbst schwach bin?, fragte sich Cornel, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder. Es stand ihm nicht zu, sich selbst so viel Gewicht beizumessen. Es war eine Anmaßung, zu denken, dass er als einfacher Mensch einen solchen Einfluss auf das Göttliche Licht hatte, war es doch gerade andersherum.
    Das Licht erfüllte alle und alles, schenkte Leben und Atem und regelte den Lauf der Welt. Es beschien alle Menschen, im Norden und Süden, Westen und Osten, überall auf der Welt. Ein einzelner Mann, selbst ein Priester des Albus Sunaş, war nichts gegen die Weite des Lichts. Überall in Wlachkis und Ardoly wurden gerade die Stimmen zum Lob des Göttlichen Lichts erhoben, und Cornel selbst war nicht mehr als ein einzelner, schwacher Diener, dem
der Auftrag, das Licht in die Welt zu tragen, schwer auf den Schultern lastete. Auf schmerzenden Schultern, wie Cornel feststellte. Der gestrige Abend war anstrengend gewesen, und seine Muskeln waren noch immer verkrampft.
    Wie jedes Jahr war er ein Außenseiter bei dem Bankett gewesen, wenig mehr als geduldet. Der Voivode bemühte sich, seine Abneigung ihm gegenüber nicht zu zeigen, aber Cornel konnte sie hinter der höflichen Fassade deutlich spüren. Şten cal Dabrân achtete die Wünsche seiner Frau auch weit über ihren Tod hinaus, doch in seinem Herzen misstraute er dem Albus Sunaş weiterhin. Es schmerzte Cornel, zu sehen, wie wenig er in den vergangenen Jahren bei dem Voivoden erreicht hatte.
    Vorsichtig streckte er sich, während der Gesang seinem Höhepunkt zusteuerte, ihn mit einem hohen Ton erreichte und schließlich endete. Mit ernster Miene schritt der Sonnenpriester aus dem Kreis der Gläubigen in die Mitte der Kapelle, wo das schwache Licht der Sonne die weißen Fliesen erhellte. Das Dach war eine raffinierte Konstruktion, durch deren Sonnenloch auch am frühen Morgen schon Licht einfiel.
    »Ein neuer Tag beginnt. Die Welt wird in das Göttliche Licht getaucht. Auch wir sind in dem Licht, und wir genießen seine sanfte Liebkosung. Das Licht schenkt uns Leben. Tragen wir das Göttliche Licht auch in unseren Herzen!«
    Mit ausgebreiteten Armen trat er einen Schritt zurück und blickte durch das Sonnenloch zum Himmel, während die Gläubigen, so wenige es auch sein mochten, einer nach dem anderen durch den Lichtkegel schritten und dann die Kapelle verließen. Erst als der Letzte gegangen war, senkte Cornel Arme und Blick.
    »Viele Burlai«, stellte Gharjaş fest. Der junge Priester mit dem geschorenen Haar lächelte, wie er es fast immer tat. Sein breites Gesicht schien wie für diesen freundlichen
Ausdruck geschaffen. Noch hatte Cornel nicht herausgefunden, ob sein Naturell tatsächlich derart unverwüstlich oder das Lächeln nur ein Schutz vor den ständigen Anfeindungen durch ihr eigenes Volk war.
    »Die Treidler ziehen die Kähne von Ardoly bis hierher. Sie hören hier und dort vom Göttlichen Licht. Es sind einfache, gute Menschen«, erwiderte Cornel und ließ den Kopf kreisen. Einige der Bewegungen sandten Schmerzen den Nacken hinab bis zu seinen Schulterblättern. Seufzend hielt der Sonnenpriester inne

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